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Politik

Saddam Hussein: Er kommt nicht mehr zurück

Birgit Svensson
30. Dezember 2016

Vor zehn Jahren wurde der irakische Diktator hingerichtet und in seinem Heimatort bei Tikrit begraben. Doch Audscha ist jetzt eine Geisterstadt. Wo der Leichnam Saddams ist, weiß niemand. Ein Ortsbesuch.

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Irak Saddam Hussein im Gerichtssaal
Bild: picture-alliance/dpa/C. Hondros

"Das hätte es unter Saddam nicht gegeben", hört man im Irak derzeit immer öfter. Überall zwischen Euphrat und Tigris beklagen die Menschen die Situation, in der sich das Land befindet. "Die Gesetze werden nicht befolgt", sagt ein Geschäftsmann in Basra. "Es ist wie in einem Dschungel, wo nur das Recht des Stärkeren zählt". Unterschiedliche Gruppierungen im Irak geben sich eigene Gesetze und Rechtsprechungen. "Es wäre gut, wenn Saddam wiederkäme", meint der Sohn eines Mannes in Bagdad, der von Saddam ermordet wurde. Landauf, landab fällt derzeit Saddams Name bei nahezu jeder Unterhaltung zwischen Irakern, sei es im Taxi, in den Cafés, in den Familien oder unter Freunden. 

Saddam kommt nicht zurück

Doch Saddam Hussein kommt nicht mehr zurück. Am 30. Dezember 2006 wurde er im Morgengrauen hingerichtet. Sein Tod war für seine unterdrückten und geschundenen Landsleute damals ein Freudenfest. Heute sehen das viele anders. Die Stimmen mehren sich, Saddam sei das kleinere Übel gewesen, verglichen mit dem, was sich nach seinem Tod ereignete.

Irak Saddam Hussein in Audscha
Die Gräber von Saddams Söhnen in AudschaBild: DW/B. Svensson

Audscha - der Geburtsort von Saddam

Tikrit liegt rund 160 Kilometer nordwestlich von Bagdad. Von hier aus sind es nur dreizehn Kilometer bis nach Audscha, einer ehemaligen 3000-Seelen-Gemeinde. Hier wurde Saddam Hussein 1937 geboren. Und hier wurde er vor zehn Jahren gemäß islamischer Tradition 24 Stunden nach seiner Hinrichtung beigesetzt, nahe dem Grab seiner beiden Söhne Udai und Qusai. Ein kleines, bescheidenes Mausoleum entstand. Doch die schiitische Regierung in Bagadad unter dem damaligen Premierminister Nuri al-Maliki beschränkte dem Zugang zu der Grabstätte. Sie  wollte vermeiden, dass Pilgerströme von Saddam-Anhängern nach Audscha fließen und der verhasste Diktator gar als Märtyrer gefeiert werde.

Saddam Husseins Grabmahl in al-Audscha Tikrit
Das Grab von Saddam Hussein in AudschaBild: Birgit Svensson

Eine Geisterstadt

Heute ist Audscha eine Geisterstadt. „Halt!“, schreit ein in eine Armeeuniform gekleideter Mann an der Ortseinfahrt und zieht schnell die Schranke herunter, damit der Wagen nicht weiterfahren kann. "Hier herrschen wir jetzt!", schiebt er hinterher. Am Kontrollpunkt sitzen drei schäbig gekleidete junge Männer, trinken Tee und schauen auf den kleinen Fernsehbildschirm vor ihnen. "Niemand kommt mehr rein." Man habe die Terroristen alle verjagt, die hier gewohnt hätten, sagt der Uniformierte. Er meint die Einwohner von Audscha, denn viele von ihnen gehörten einst zum Clan von Saddam Hussein. Aus diesem rekrutierte der Diktator seine engsten Mitarbeiter - einige der Provinzgouverneure und hohe Beamte seines Regimes stammten aus Audscha.

Als irakische Truppen im Sommer 2015 Tikrit aus der Hand des IS befreiten, brachen auch in Audscha Kämpfe aus. Vom Kontrollpunkt aus sieht man: Einige Häuser sind zerstört, die meisten stehen einfach nur leer. Das Szenario lässt eine Kollektivbestrafung durch die Schiitenmilizen der sogenannten Hashd al-Shaabi erahnen, die maßgeblich an der Befreiung Tikrits beteiligt waren. Die sunnitischen Anhänger Saddam Husseins standen seit dem Blitzkrieg des IS im Irak im Verdacht, mit den Dschihadisten kooperiert zu haben, um wieder an die Macht zu kommen.   

Irak Baidschi Militär Offensive gegen IS
Schiitische Kämpfer bei der Rückeroberung Tikrits 2015Bild: Getty Images/AFP/A. Al-Rubaye

Maliki und der Aufstieg des IS

Welcher Truppe der Uniformierte am Ortseingang angehört, will er nicht sagen. Der Fahrer des Wagens, ein Schiit, meint, er sei ein Angehöriger von Asa’ib al-Haq, der allseits gefürchteten, von Ex-Premier Maliki unterstützten Schiitenmiliz. Maliki wird vorgeworfen, am Aufstieg des IS mitverantwortlich zu sein. Denn seine sektiererische Politik schloss die sunnitischen Araber, die
Saddam Hussein zuvor begünstigt hatte, vom Aufbau des neuen Irak aus. Einzig Schiiten wurden an der Macht beteiligt. Ein Grund, weshalb die Dschihadisten des IS vielen Sunniten zunächst als Retter erschienen, als sie Teile des Irak 2014 überrannten. 

Saddam sei auch nicht mehr in Audscha, gibt uns einer der Milizionäre noch mit auf den Weg. Bevor der IS Tikrit eroberte, sei seine Tochter mit einem Hubschrauber eingeflogen und habe den Sarg samt Inhalt mitgenommen. Wo der Leichnam jetzt sei, wisse niemand. Überhaupt ist es ungewiss, ob das Gerücht stimmt. 

Saddams Hinrichtung 2006

Saddam Hussein hatte noch wenige Tage vor seiner Hinrichtung gegen sein Todesurteil Berufung eingelegt. Wenige Wochen zuvor, am 5. November 2006,  war er mit zwei weiteren Angeklagten zum Tode durch den Strang verurteilt worden. Das fünfköpfige Richtergremium des Sondertribunals, das eigens für die Verbrechen von Saddam Hussein eingesetzt wurde, beschuldigte die Angeklagten für das Massaker an 148 Bewohnern des Dorfes Dudschail im Jahre 1982. Alle Getöteten waren Schiiten. Internationale Menschenrechtsorganisationen kritisierten das Verfahren damals als inakzeptabel, sie sprachen von Siegerjustiz, von einem krassen Widerspruch zu international geltenden Rechtsstandards. Die Kritik eines politisch motivierten Prozesses steht bis heute im Raum.