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Deutsche Konjunktur trotzt der Krise

Sabine Kinkartz, Berlin10. Februar 2016

Der Ölpreis fällt und fällt, die Börsen sind auf Talfahrt, die Flüchtlingskrise hält Europa in Atem – und was macht die deutsche Wirtschaft? Der DIHK hat nachgefragt und ist ein bisschen verwundert.

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Bild: picture-alliance/dpa

Dreimal pro Jahr fragt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag im deutschen Mittelstand Geschäftslage und Erwartungen ab. 27.000 Unternehmen haben an der letzten Umfrage zwischen Mitte Dezember und Mitte Januar teilgenommen. Mit einem erstaunlichen Ergebnis, denn die Unternehmen bewerten ihre aktuelle Geschäftslage so gut wie noch nie. "Wir waren erfreut und überrascht über die Zuversicht und den tatkraftorientierten Optimismus", sagt DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben, für den die Umfrage "den Erfolg der Tüchtigen und der Fleißigen" dokumentiert.

Wie passt das zur allgemeinen Krisenstimmung? Wer genau hinschaut, sieht durchaus Unterschiede in den Branchen. Allgemein entlastet zwar der niedrige Ölpreis alle Betriebe und verschafft den Verbrauchern zusätzliche Kaufkraft. Der schwache Euro und die günstige Finanzierungssituation tun ihr Übriges für die Unternehmen.

1,3 Prozent Wachstum

Besonders gute Geschäfte machen derzeit aber vor allem der Handel, die Dienstleistungsbranche und das Baugewerbe. Sie profitieren besonders von den hohen Flüchtlingszahlen. Unterkünfte müssen gebaut werden, Sachleistungen und finanzielle Hilfen kurbeln den Konsum an. Sicherheitsfirmen und Sozialdienste sind ebenfalls stärker beschäftigt. "Zur Konjunktur trägt das ungefähr ein Drittel Prozentpunkt Wachstum bei", sagt DIHK-Konjunkturexperte Dirk Schlotböller, der davon ausgeht, dass die Wirtschaft in diesem Jahr um 1,3 Prozent zulegen wird.

Martin Wansleben
Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und HandelskammertagsBild: picture-alliance/dpa

Das wäre weniger als 2015 und auch weniger als andere Konjunkturexperten voraussagen. "Richtig mit Volldampf läuft der Konjunkturmotor nicht", formuliert Martin Wansleben und begründet seine Skepsis nicht nur mit den internationalen politischen Krisen, der wirtschaftlichen Schwäche Chinas und der Rohstoff-Förderländer, sondern auch mit der deutschen Wirtschaftspolitik.

Investitionen bleiben aus

Auf dem Arbeitsmarkt drohten neue Beschränkungen bei der Zeitarbeit und den Werkverträgen, die Diskussion um eine Erbschaftssteuer mache gerade dem Mittelstand sehr zu schaffen. "Da fragen sie sich, ist das eigentlich hier erwünscht, dass ich als Familienunternehmen Vermögen aufbaue oder soll das nur abkassiert werden. Da fehlt aus meiner Sicht ein klares Signal: Kommt, schafft Vermögen in Deutschland und investiert wieder kräftig", kritisiert Wansleben.

Tatsächlich wollen die Unternehmen ihre Budgets in diesem Jahr kaum erhöhen. Eine deutliche Belebung der Investitionen ist damit nicht zu erwarten. Das sei eine schlechte Nachricht, sagt DIHK-Geschäftsführer Wansleben, denn der Nachholbedarf sei schon jetzt sehr groß und Deutschland lebe davon, dass es in bessere und wettbewerbsfähigere Arbeitsplätze investiere.

Krise, Krise, Krise

Investiert wird aber nur, wenn die Aussichten stimmen. Doch der guten Geschäftslage steht in der DIHK-Umfrage eine deutlich schlechtere Geschäftserwartung gegenüber. Ein Widerspruch? Nein, sagt Wansleben, denn dafür habe Wirtschaft einfach zu viel mit Psychologie zu tun. "Wenn sie die Nachrichten anmachen und die Zeitungen lesen, dann fangen sie auch an, unsicher zu werden: der Begriff Krise ist überall. Krise, Krise, Krise, Flüchtlingskrise, das macht einen ja ganz kirre und irgendwann glaubt man daran, dass es wirklich flächendeckend eine Krise gibt, es kann gar nicht mehr anders sein, als dass wir überall eine Krise haben."

Es ist somit vor allem Verunsicherung, die der DIHK ausmacht. Eine Verunsicherung, die sich noch steigern dürfte angesichts der aktuellen Kursabstürze auch an den deutschen Börsen. In diesem Punkt ist der DIHK allerdings um Entwarnung bemüht. Man könne vom Verlauf des Deutschen Aktienindex Dax nicht so einfach auf den Verlauf der Konjunktur schließen.

Banken machen Sorgen

Viel mehr Gedanken macht man sich über die Probleme im Bankensektor. Keine Volkswirtschaft sei so sehr darauf angewiesen, dass Banken ausreichend Darlehen geben, wie die deutsche Wirtschaft mit ihren vielen mittelständischen Firmen und Familienunternehmen. Nicht nur die Deutsche Bank bereite da Sorgen. Die Instabilitäten in der Finanzbranche würden inzwischen weit über Einzelfälle hinausgehen, man müsse von einem flächendeckenden Phänomen sprechen.