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"Ich bin nicht der geborene Kapitän"

5. Juli 2019

Er wählt die leisen Töne und steht nicht gern im Mittelpunkt. Doch nach starken Leistungen geht Emanuel Buchmann für das Radteam Bora-Hansgrohe als Kapitän in die Tour de France 2019. Wie passt das zusammen?

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Tour de France 2017 Emanuel Buchmann
Bild: picture-alliance/SvenSimon

Sein Blick ist immer noch schüchtern, seine Stimme leise und seine Körpersprache alles andere als selbstbewusst. Emanuel Buchmann steht in einer Gasse der Brüsseler Innenstadt und beantwortet Fragen von Journalisten. Er tut dies inzwischen etwas routinierter als bei seinem Tour-Debüt 2015, aber immer noch nicht so richtig gern. Einige Sätze wirken einstudiert. Das Reden, das spürt man, ist nicht seine Paradedisziplin. Aber wenn man genauer hinhört, entdeckt man ein zartes Pflänzchen Selbstvertrauen beim 26-Jährigen, der sich anschickt, um das Podium der Tour de France zu fahren. Er spricht von Respekt der Kollegen, von seinen starken Leistungen im Vorfeld und davon, dass ein Platz weit vorne im Gesamtklassement "absolut realistisch" sei. Es ist offensichtlich: Seine Fähigkeiten auf dem Fahrrad haben Buchmann geholfen, an sich zu glauben und darüber auch sprechen zu können. Wohin sie ihn noch führen können? Wenn er gesund bleibt, führt sein Weg schon in diesem Sommer ins Rampenlicht - ob es ihm gefällt oder nicht…

DW: Emanuel Buchmann, beginnen Sie diese Tour de France mit einem anderen Gefühl?

Emanuel Buchmann: Ja, ich denke schon. Diese Saison lief für mich bis jetzt super. Jetzt stehe ich hier zum ersten Mal als Kapitän am Start, und ich glaube, es ist absolut realistisch, dass ich in der Gesamtwertung in die Top Ten fahren kann. Ich bin motiviert, dieses Ziel zu erreichen.

Tour de France 2016 Emanuel Buchmann
Für Emanuel Buchmann ist es die vierte Tour de France, die erste als TeamkapitänBild: Getty Images/C. Graythen

Machen Sie sich selbst Druck?

Ja, ein gewisser Druck ist da, und er kommt von mir und vom Team. Jeder, der bei der Tour auf Gesamtwertung fährt, hat diesen Druck. Aber ich sehe das als eine Riesenchance, dass ich etwas erreichen kann.

Auf die Gesamtwertung zu fahren bedeutet, nirgends Zeit verlieren zu dürfen. Heißt das drei Wochen lang Stress?

Ja. Gerade in der ersten Woche sind hier alle sehr nervös. Da muss man enorm aufpassen, dass man gut durchkommt, keine Zeit verliert, nicht stürzt und immer aufmerksam fährt. Gerade in diesem Rennen ist es extrem stressig, immer vorne zu sein. Zum Glück geht es schon auf der sechsten Etappe in die Berge, dann sortiert sich alles etwas.

Sie haben in dieser Saison einen großen Schritt nach vorne gemacht und starke Resultate erzielt. Was haben Sie verändert?

So viel habe ich nicht verändert. Ich bin einfach ein kleines Stück stärker, trete ein paar Watt mehr. Das macht aber am Berg manchmal einen großen Unterschied und entscheidet zwischen Spitze und Verfolger. Ich sehe das aber als kontinuierliche Entwicklung. Ich habe jedes Jahr einen Schritt nach vorne gemacht. Und ich konnte meine Vorbereitung problemlos durchziehen, es kam nichts dazwischen. Ich bin reifer geworden.

Spüren Sie mehr Respekt im Peloton?

Ja, ich denke schon, dass andere Fahrer inzwischen mehr Respekt haben. Viele sehen, dass ich super drauf bin, und so leicht lässt man mich nicht mehr fahren. Das gilt auch für unser gesamtes Team. Jeder von uns hat einen Schritt nach vorne gemacht und sich weiterentwickelt. Dadurch kommt Selbstbewusstsein hinzu, und wir agieren anders im Rennen.

Motorrad -  Criterium Du Dauphine | Emanuel Buchmann
Platz drei in der Gesamtwertung: Starker Auftritt Bachmanns beim Critérium du DauphinéBild: Imago Images/Panoramic International/V. Kalut

Auch im Zeitfahren konnten Sie sich verbessern. Haben Sie im Windkanal an ihrer Position auf dem Rad gearbeitet?

Nein, nicht wirklich. Ich habe nicht mehr auf dem Zeitfahrrad trainiert als in der Vergangenheit. Eigentlich war ich selbst überrascht, wie gut ich beim Zeitfahren des Critérium du Dauphiné war [Buchmann wurde im Kampf gegen die Uhr Dritter und ließ damit andere Sieganwärter der Tour de France hinter sich, Anm. d. Red]. Ich hoffe, dass ich das bei der Tour de France wiederholen kann.

Sie sind erstmals Teamkapitän bei der Tour. Entspricht diese Rolle eigentlich Ihrem Naturell?

Ich bin nicht der geborene Kapitän, der große Ansagen macht. Aber ich denke, das ist ein Stück weit etwas, das man lernen kann. Bei der Vuelta 2018 bin ich schon als Kapitän gestartet und das hat ganz gut geklappt [Buchmann wurde bei der Spanien-Rundfahrt Zwölfter]. Ich denke, daran kann ich hier anknüpfen.

Können Sie auch lauter werden?

Im Rennen schon, wenn es wirklich wichtig ist. Aber am Tisch abends mache ich keine großen Ansprachen, das ist einfach nicht mein Ding.

Worauf freuen Sie sich nach der Tour?

Ich freue mich darauf, dann wieder meine Ruhe von dem ganzen Rummel hier zu haben. Das brauche ich nach der Tour, und darüber bin ich richtig froh. Und ich brauche auch einfach eine Pause. Die Vorbereitung auf die Tour war schon ziemlich hart.

Emanuel Buchmann, Jahrgang 1992, begann im Alter von 13 Jahren mit dem Radsport und ist seit 2015 Radprofi. Gleich im ersten Jahr wurde er Deutscher Meister und fuhr seine erste Tour de France, bei der er auf einer Etappe Dritter wurde. Seitdem entwickelte sich der gebürtige Ravensburger kontinuierlich zum Rundfahrtspezialisten und ließ im Juni mit Rang drei beim Critérium du Dauphiné aufhorchen. Buchmann, der sich nach eigenen Worten ohne den Radsport für ein Jurastudium entschieden hätte, gilt als das größte deutsche Rundfahrttalent seit Jan Ullrich und Andreas Klöden.

Das Interview führte Joscha Weber.