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Geistige Gesundheit 2.0

Hannah Lesch
11. Oktober 2016

Es geht um mehr als Sudoku und Gedächtnistraining. Wir müssen umdenken: Beim Thema "Mental Health" wird aktuell über geeignete Traumatherapien für Flüchtlinge und einen anderen Umgang mit psychisch Kranken diskutiert.

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Symbolbild sexuelle Gewalt Prostitution Menschenhandel Zwangsprostitution
Bild: picture alliance / Photoshot

Bei psychischer Gesundheit denkt man meist an Individuen. Im Workshop zum Thema "Global Mental Health" wird jedoch über die ganze Welt gesprochen. Die Experten in der Diskussion erzählen emotional und engagiert von ihrer Arbeit. Ihre Forschungen und Studien sind in den letzten Monaten sehr wichtig geworden, der Raum des Workshops quillt über vor Menschen. Viele interessiert, wie Traumatherapien und psychologische Betreuung für die vielen tausend Flüchtlinge, die nach Europa gekommen sind, realisiert werden können. Über 40 Prozent der Flüchtlinge sind psychisch krank, viele von ihnen traumatisiert. Es ist ein internationales Problem.

"Ich kann heute nicht mehr voraussetzen, dass mein Patient auch meine Sprache spricht." Professor Ulrich Schnyder von der Universität Zürich ist überzeugt, dass der kulturelle Hintergrund des Patienten wichtig für die Therapie ist. Dieser ist entscheidend für Verhalten und Emotionen. Die besondere Herausforderung ist allerdings, dass jeder einzelne Patient seinen ganz persönlichen kulturellen Hintergrund hat. Umso wichtiger, dass die Therapeuten bei der Behandlung traumatisierter Menschen nicht nur viel Erfahrung mitbringen, sondern auch die Unterschiede berücksichtigen, die es im Vergleich zu Deutschland gibt.

Verschiedene Traumatherapien

"So unterschiedlich die Länder, so unterschiedlich sind auch die Menschen. Wir können also nicht erwarten, dass sie mit einem Trauma so umgehen wie wir", erklärt Schnyder. Unsere deutschen Therapieansätze sind eben für uns Deutsche konzipiert. Zum Beispiel reden wir gerne über unsere Probleme und Ängste, in anderen Kulturen ist das nicht vorstellbar.

"Wir können auch von unseren Patienten lernen" meint Schnyder, "sie von uns, und wir von ihnen." Er arbeitet an der Uni Zürich im Rahmen eines großen Projektes aktuell an einer möglichen Lösung. Nach dem "Problem Management Plus"-Modell wird in fünf Sitzungen à 90 Minuten eine Therapie angeboten, die den Fokus auf praktische und klassische Techniken legt. Zunächst richtet sie sich an Syrer, die schon im Gesundheitswesen gearbeitet haben. Im Anschluss sollen sie dann selber Therapiesitzungen für Kleingruppen anbieten können. Anfang nächsten Jahres wird das Projekt in die Testphase gehen.

Ein Leben lang in Ketten

In Industrieländern wird viel Geld in die Forschung zu unserer psychischen Gesundheit gesteckt. Dementsprechend umfangreich ist unser Wissen über Krankheiten und gesundheitliche Risiken. In einkommensschwachen Ländern ist der Umgang mit psychisch Kranken oft ganz anders. Hier treffen wissenschaftliche Diagnosen auf traditionelle und spirituelle Umgangsweisen. Von Therapie ist da kaum zu sprechen. Erminia Colucci von der Queen Mary Universität London zeigt dazu eine eindrückliche Dokumentation aus Indonesien. Dort wird etwa Schwarze Magie für geistige Erkrankungen verantwortlich gemacht. Die Patienten werden mitunter ihr Leben lang angekettet und eingesperrt. Schon seit Jahren engagieren sich Menschenrechtler für ein Ende dieser grausamen und Menschen verachtenden Praktiken. Doch eigentlich, meint Colucci, sei etwas Ähnliches in jeder Kultur zu finden. Der Umgang mit psychisch Kranken müsse sich weltweit ändern.