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Politik

Giffey ist erste Regierende Bürgermeisterin

21. Dezember 2021

An der Spitze der Berliner Landesregierung steht erstmals eine Frau. Das Abgeordnetenhaus wählte die SPD-Landesvorsitzende Franziska Giffey zur Regierenden Bürgermeisterin.

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Deutschland Berlin | Franziska Giffey bei der Wahl zur neuen Regierenden Bürgermeisterin
Sie hat Grund zur Freude: Die frisch gekürte Regierende Bürgermeisterin Franziska GiffeyBild: Emmanuele Contini/imago images

Das Berliner Abgeordnetenhaus hat die ehemalige Bundesfamilienministerin Franziska Giffey zur neuen Regierenden Bürgermeisterin gewählt. Wie Parlamentspräsident Dennis Buchner mitteilte, stimmten 84 Abgeordnete für Giffey, 52 gegen sie und zwei enthielten sich. Die Politikerin benötigte für ihre Wahl zur Regierungschefin mindestens 74 Stimmen; die Koalition aus SPD, Grünen und Linken hat zusammen 92 Abgeordnete.

Die 43-jährige Giffey löst ihren Parteifreund Michael Müller ab, der nach sieben Jahren im Roten Rathaus nicht mehr angetreten war und in den Bundestag gewechselt ist.

Am Morgen hatten SPD, Grüne und Linke in Berlin den Koalitionsvertrag für die Bildung der neuen Landesregierung unterzeichnet. Elf Spitzenpolitiker der drei Parteien setzten rund drei Monate nach der Abgeordnetenhauswahl in der Staatsbibliothek in Berlin-Mitte ihre Unterschriften unter das Regierungsprogramm. Das gut 150 Seiten starke Dokument soll Grundlage für die weitere Zusammenarbeit in den kommenden fünf Jahren sein.

Deutschland | Unterzeichnung des Berliner Koalitionsvertrages
Klaus Lederer (Linke), Franziska Giffey (SPD) und Bettina Jarasch (Grüne) mit dem neuen KoalitionsvertragBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Der Weg zur Bildung der neuen Landesregierung war seit Freitag frei: Die Linken stimmten bei einem zwei Wochen laufenden Mitgliederentscheid mehrheitlich für den Koalitionsvertrag. Die Hauptstadt-SPD segnete den Vertrag zuvor auf einem Parteitag ab, die Grünen ebenso.

Regierungsbündnis seit 2016

Die drei Parteien regieren seit 2016 in der Hauptstadt. Im neuen Senat überwiegen indes neue Gesichter.  Die Sozialdemokraten hatten dieAbgeordnetenhauswahl am 26. September klar vor den Grünen und der CDU gewonnen, die Linke belegte Platz vier. Anschließend sondierte die SPD auch mit CDU und FDP, sprach sich letztlich aber für eine Neuauflage des Bündnisses mit Grünen und Linkspartei aus.

Die SPD stellt neben der Regierungschefin vier Senatoren, Grüne und Linke je drei. Mit sieben Frauen und vier Männern ist der Senat so weiblich wie noch nie. Am Nachmittag will sich die Regierungsmannschaft zu ihrer ersten Sitzung treffen.

Das Regierungsprogramm umfasst eine lange Liste gemeinsamer Vorhaben. Sie reicht vom Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) über mehr Anstrengungen für den Klimaschutz und 20.000 neue Wohnungen pro Jahr bis hin zu einer bürgerfreundlicheren Verwaltung und mehr Videoüberwachung von Orten mit viel Kriminalität.

Volksentscheid zur Wohnungspolitik

Als schwieriges Thema hat sich schon vor dem Start der Regierung der Umgang mit einem Volksentscheid erwiesen. Parallel zur Bundestags- und zur Abgeordnetenhauswahl hatten am 26. September 57,6 Prozent der Wähler - mehr als eine Million Berlinerinnen und Berliner - für eine Enteignung von Wohnungskonzernen mit mehr als 3000 Wohnungen in Berlin gestimmt. Sie sehen eine solche Vergesellschaftung gegen Entschädigung als Mittel, um den Anstieg der Mieten zu stoppen.

Das rot-grün-rote Bündnis kam überein, als Konsequenz eine Expertenkommission einzusetzen: Sie soll Voraussetzungen und Möglichkeiten der Umsetzung prüfen und dem Senat nach einem Jahr eine Empfehlung zum weiteren Vorgehen vorlegen. Wie es dann weitergeht, ist völlig offen. Die SPD ist gegen Enteignungen, die Linke dafür, auch die Grünen können sie sich „als letztes Mittel” vorstellen. Berlin würde mit einem Enteignungsgesetz nach dem im April vor dem Bundesverfassungsgericht gescheiterten Mietendeckel erneut juristisches und politisches Neuland betreten.

Erste Regierende Bürgermeisterin

Giffey hat bereits eine steile politische Karriere hinter sich. Binnen weniger Jahre stieg sie von der Bildungsstadträtin im Berliner Multi-Kulti-Bezirk Neukölln über das Amt der Bezirksbürgermeisterin zur Bundesfamilienministerin auf. Im Mai trat Giffey im Zuge einer Plagiatsaffäre, die sie den Doktortitel kostete, als Ministerin zurück. Als Spitzenkandidatin bei der Abgeordnetenhauswahl fuhr Giffey zwar mit nur 21,4 Prozent das historisch schlechteste Ergebnis für die Berliner Sozialdemokraten ein. Gleichzeitig sicherte sie der SPD aber den Wahlsieg vor Grünen, CDU, Linken, AfD und FDP.

Mit Giffey bekommt Berlin nun erstmals eine Regierende Bürgermeisterin - und zum ersten Mal seit der Wiedervereinigung ein aus der DDR stammendes Stadtoberhaupt. Allerdings ist Giffey nicht die erste Frau, die die Geschicke der Stadt leitet. Denn 1947/1948 amtierte die SPD-Politikerin Louise Schroeder kommissarisch als Oberbürgermeisterin im Nachkriegs-Berlin.

kle/sti (dpa, afp)