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Herpesvirus im Reitsport: Hoffen auf Eindämmung

23. März 2021

Bereits 17 Pferde sind am gefährlichen Herpesvirus EHV-1 gestorben. Besonders betroffen ist der deutsche Springreiter Sven Schlüsselburg. Die Weltcup-Finals sind abgesagt, bis 11. April herrscht Turniersperre.

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Der Grosse Preis von Aachen I Sven Schluesselburg
Auch Sven Schlüsselburgs Top-Pferd, Bud Spencer, war infiziert, ist aber wieder genesenBild: Elmar Kremser/SvenSimon/picture alliance

"Wir haben sechs tote Fohlen, zwei tote Pferde", hatte der 39-Jährige der Tageszeitung "Heilbronner Stimme" gesagt. Bei den toten Fohlen, deren Zahl sich mittlerweile auf neun erhöht hat, handelte es sich um Nachkommen von infizierten Stuten, die - so der Fachterminus - "verfohlten". Der Nachwuchs starb noch vor oder während der Geburt. Von 60 Pferden auf seinem Hof in Ilsfeld, nördlich von Stuttgart, seien 21 positiv auf das gefährliche Equine Herpesvirus (EHV-1) getestet worden. "Wir sind traurig, bangen weiterhin um unsere Pferde", so Schlüsselburg, der schon in Nationenpreisen für Deutschland geritten ist. 

Schlüsselburg war mit mehreren Pferden bei der Turnierserie in Valencia gestartet, bei der der Ausbruch der aggressiven Herpesvirus-Variante EHV-1 seinen Ausgang hatte. Allerdings war er bereits am 12. Februar, noch bevor die ersten Pferde in Valencia gestorben waren, abgereist - mit dem Virus im Gepäck, wie sich wenige Tage später herausstellte. Nach einiger Zeit brachen im heimischen Stall die Infektionen aus. Zwei Pferde, Bud Spencer und Nascari, waren zu Turnieren nach Doha in Katar gereist, dort positiv getestet und in einer Klinik behandelt worden.

Der Reit-Weltverband FEI bestätigte am Mittwoch, dass mittlerweile 17 Pferde an der gefährlichen Herpes-Variante EHV-1 gestorben sind. Nach Angaben des Weltverbandes FEI sind davon zehn Tiere in Spanien, fünf in Deutschland und zwei in Belgien gestorben. Die meisten Pferde gehörten deutschen Reitern. Wie Schlüsselburg hat auch Springreiter Tim-Uwe Hoffmann zwei Pferde durch die Herpes-Infektionen verloren. Das bestätigte sein Trainer Hilmar Meyer dem "Reitsport-Magazin".

Weltcup-Finals abgesagt

Die FEI hatte eine Turniersperre, die sie zunächst bis zum 28. März verhängt hatte, Ende vergangener Woche um 14 Tage verlängert. Sie gilt nun in zwölf europäischen Ländern bis zum 11. April. Dadurch fallen auch die Weltcup-Finals im Springreiten und in der Dressur aus, die vom 31. März bis zum 4. April in Göteborg ausgetragen werden sollten. Der Weltverband empfahl zudem nach einer Sitzung des Vorstands, auf dem gesamten europäischen Festland keine Turniere abzuhalten, um die weitere Verbreitung des Virus zu stoppen.

Doch mit dem Turnierstopp ist die Gefahr noch nicht gebannt. Auch in den heimischen Stallungen ist vor allem Hygiene wichtig, da man das Virus auf die Pferde übertragen kann. Über Sattel, Trense, Decken oder Kleidung kann es in die Tiere gelangen. Der Mensch selbst kann nicht erkranken.

Deutschland CHIO Aachen | Springreiten
Beim CHIO in Aachen trifft sich jedes Jahr die Weltelite im PferdesportBild: picture-alliance/Pressefoto Baumann/H. Britsch

Auch das wichtigste und größte Turnier in Deutschland, der CHIO Aachen, wird verschoben. Nachdem das "Weltfest des Pferdesports" im vergangenen Jahr wegen der Corona-Pandemie erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg abgesagt worden war, wird es in diesem Jahr vom 10. bis zum 19. September stattfinden und nicht wie geplant Ende Juni. Allerdings wurde diese Entscheidung unabhängig vom Ausbruch des Herpesvirus EHV-1 getroffen, sondern ist durch die anhaltend schwierige Corona-Lage bedingt.

Olympiavorbereitung gestört

Dennoch verändert die Verlegung die Saisonplanung und die Olympiavorbereitung vieler Top-Reiter. Für die deutschen Dressurreiter und ihre Bundestrainerin Monica Theodorescu entfällt Aachen als zweite Sichtung für Olympia nach den deutschen Meisterschaften in Balve. Für die Springreiter und Bundestrainer Otto Becker wäre Aachen das wichtigste Turnier auf dem Weg nach Tokio gewesen. Becker muss nun anhand anderer Fünf-Sterne-Turniere und bei Nationenpreisen seine Equipe zusammenstellen.

"Ich bin eigentlich guter Dinge, dass wir Mitte April wieder loslegen können", sagte Becker dem Sportinformationsdienst: "Alle Pferde sind jetzt zu Hause, es gibt keine Vermischung mehr. Ich hoffe, diese Tragödie ist in ein paar Wochen überstanden." Auch Theodorescu bezeichnete die Verschiebungen im Olympia-Fahrplan als "nicht schön". "Aber viel schlimmer als ausgefallene Turniere sind tote und kranke Pferde", so die Dressur-Bundestrainerin.

Verfrühte Abreise für Reit-Elite

Europameisterschaft Rotterdam I Simone Blum
Springreit-Weltmeisterin Simone Blum auf AliceBild: Rolf Vennenbernd/dpa/picture alliance

"Ich bete für unsere und alle anderen Pferde, dass sie von dem Virus verschont bleiben", hatte Simone Blum nach dem Virus-bedingten Abbruch der Turniere bei Instagram geschrieben. Die Weltmeisterin im Springreiten war nicht bei der Turnierserie in Valencia dabei, wo der Ausbruch des gefährlichen Herpesvirus seinen Ursprung hatte. Doch auch in ihrer Nähe, bei der Sunshine Tour im südspanischen Vejer de la Frontera, hatte es Fälle infizierter Tiere gegeben. Wegen eines zweiten Pferdes mit Herpes-Symptomen und laut Veranstalter "neurologischen Anzeichen von EHV-1" war die Turnierserie schließlich vorzeitig abgebrochen worden. Blum war eine von mehr als einem Dutzend deutscher Reiterinnen und Reiter, die in den vergangenen Wochen an der spanischen Atlantikküste geritten waren. Ursprünglich sollte die Tour noch bis Ende März weitergehen.

Stattdessen fuhr die 31-Jährige mit ihren Pferden im Transporter zurück zum heimatlichen Hof in Zolling bei München, wo sie nach rund 2600 Kilometer langer Fahrt quer durch Europa ankam. Ihre Pferde, unter anderem auch Top-Pferd Alice, mussten sich in Quarantäne begeben. Danach, so schrieb Blum, "hoffe ich, dass wir alle wieder zu etwas mehr Normalität zurückkehren".