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Ifo-Index: Sand im Getriebe

25. Oktober 2021

Lieferprobleme bremsen die Wirtschaft. Die Erwartungen der Unternehmen sind von Skepsis geprägt und auch die aktuelle Lage wird schlechter bewertet - der wichtige Ifo-Geschäftsklimaindex fällt erneut.

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China Qingdao | Containerschiff im Hafen
Bild: picture-alliance/ZUMA Wire/SIPA Asia/Y. Fangping

Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich im Oktober erneut verschlechtert. Der Ifo-Geschäftsklimaindex, Deutschlands wichtigstes Konjunkturbarometer, fiel gegenüber dem Vormonat auf 97,7 Zähler, wie das Ifo-Institut am Montag in München mitteilte. Es ist der vierte Rückgang in Folge.

"Lieferprobleme machen den Firmen zu schaffen", erklärte Ifo-Präsident Clemens Fuest im DW-Gespräch. Die Kapazitätsauslastung in der Industrie sinke. "Sand im Getriebe der deutschen Wirtschaft hemmt die Erholung." Die befragten Unternehmen bewerteten vor allem die Zukunftsaussichten ungünstiger. Erneut haben die anhaltenden Probleme im internationalen Warenhandel, die unter anderem auf die Corona-Pandemie zurückgehen, die Stimmung belastet.

Die Lieferkettenprobleme werden sich wohl noch verschärfen

Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer sieht den vierten Rückgang des Ifo-Index als Warnsignal. "Die Unternehmen ahnen, dass die Politiker auf die stark ansteigenden Corona-Infektionen mit neuen Beschränkungen reagieren werden." Zudem führe die neue Corona-Welle vor allem in Asien zu Fabrikschließungen, was den Materialmangel hierzulande verschärfen werde.

Jens-Oliver Niklasch von der LBBW findet es bemerkenswert, dass sich die Lage nur relativ geringfügig eingetrübt habe. Auch er geht davon aus, "dass der Großteil der Folgen gestörter Lieferketten erst noch anfällt". Durch die nun Fahrt aufnehmende vierte Corona-Welle drohe ein unerfreulicher Jahresausklang.

Container ship on the open sea
Die Lieferketten aus Asien sind brüchig geworden.

"Problematisch ist vor allem, dass ein echter Silberstreif am Horizont nur wenig sichtbar ist", sagt Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe. "Für Dienstleistungen und den Handel drohen neue Belastungen." Die Industrie werde auch in den kommenden Monaten noch im Lieferketten-Wirrwarr verheddert bleiben, meint auch Krüger.

Der Zenit der Konjunkturstimmung sei zunächst überschritten, glaubt Ralf Umlauf von der Helaba. Allerdings weist er darauf hin, dass der Ifo-Geschäftsklimaindex noch auf dem Niveau des langfristigen Durchschnitts läge. "Von einer wirtschaftlichen Kontraktion kündet der Ifo-Index unseres Erachtens daher nicht, zumal die Einkaufsmanagerindizes weiterhin - und im Falle der Industrie sehr deutlich - im Wachstumsbereich liegen." Er rechnet außerdem damit, dass sich die EZB den geldpolitischen Stimulus noch aufrechterhalten werde.

Fritzi Kähler-Geib von der KfW erklärt die Delle in der Konjunktur damit, dass die Materialengpässe und Störungen im globalen Transportsystem länger als ursprünglich gedacht die Unternehmen belasten würden und sich die Situation wohl erst im nächsten Jahr entspannen werde. "Hinzu kommt der jüngst steile Energiepreisanstieg, der die reale Kaufkraft schmälert und für zusätzlichen Kostendruck in den Unternehmen sorgt."

Ukraine Gaspipeline Archiv 2013
Die Gaspreise haben in Europa Rekordwerte erreichtBild: Reuters

Vor allem würden die drastisch steigenden Energiepreise und sprunghaft ansteigende Corona-Infektionen nicht nur für sich genommen eine konjunkturelle Belastungen darstellen, sondern auch die Lieferkettenproblematik verschärfen können, sagt Andreas Scheuerle von der DekaBank.

Wachstum verlangsamt sich zum Jahresende

Die deutsche Wirtschaft war wegen der Corona-Krise Anfang des Jahres um zwei Prozent geschrumpft, dann aber im Zuge der Lockdown-Lockerungen im Frühjahr um 1,6 Prozent gewachsen. Trotz Lieferengpässen bei wichtigen Vorprodukten gehen viele Ökonomen davon aus, dass sich das Wachstum im abgelaufenen Sommer-Quartal beschleunigt haben dürfte. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft etwa erwartet, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 2,2 Prozent zum Vorquartal zulegte.

Wegen der globalen Materialknappheit und steigender Corona-Infektionen dürfte die Konjunktur im laufenden Schlussquartal allerdings wieder Schwung verlieren. Dies signalisierten jüngst auch die Umfragen bei Industrie und Dienstleistern zum Einkaufsmanagerindex. Auch Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe geht davon aus, das die deutsche Wirtschaft im laufenden Herbstquartal wohl nur noch um rund 0,5 Prozent wachsen werde. Krämer sagt, zumindest für Ende 2021 zeichne sich eine "Stagflation" ab - also eine Mischung aus stagnierender Konjunktur und steigender Inflation.

Nur das Bauhauptgewerbe frohlockt

Im verarbeitenden Gewerbe fiel der Geschäftsklimaindex den Angaben zufolge weiter. Die Unternehmen seien mit ihrer aktuellen Lage etwas weniger zufrieden; zudem trübten sich ihre Erwartungen weiter ein. Die Kapazitätsauslastung erreichte wegen der Lieferprobleme nur 84,7 Prozent.

Im Dienstleistungssektor verschlechterte sich das Geschäftsklima ebenfalls. Zwar bewerten die Unternehmen ihre aktuelle Lage laut Ifo-Umfrage etwas besser, sie blicken demnach aber "deutlich weniger optimistisch" auf die kommenden Monate.

Im Handel sank der Index des Ifo "deutlich". Die Händler seien merklich weniger zufrieden mit ihren laufenden Geschäften, ihr Pessimismus mit Blick auf die kommenden Monate nehme zu. Auch hier belasten die Lieferprobleme die Stimmung, wie das Ifo erklärte.

Im Bauhauptgewerbe dagegen verbesserte sich das Geschäftsklima erneut deutlich. Die Betriebe beurteilen die aktuelle Lage etwas besser, der Erwartungsindex legte zum sechsten Mal in Folge zu.

Infografik Lieferketten DE

iw/hb (ifo-Institut, dpa, rtr)