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Politik

Härtere Strafen für Kindesmissbrauch

1. Juli 2020

Sexualisierte Gewalt gegen Kinder soll künftig in allen Fällen als Verbrechen gelten. Neben einer Verschärfung des Strafrechts setzt die Bundesregierung im Kampf gegen Kindesmissbrauch auch auf Prävention.

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Blick auf eine Gefängniszelle mit vergitterter Tür
Bild: picture-alliance/dpa/P. Seeger

Lügde, Bergisch-Gladbach und Münster - gleich mehrere Fälle von teils schwerstem Kindesmissbrauch erschüttern Deutschland. Nun will die Bundesregierung das Strafrecht über sexualisierte Gewalt an Kindern möglichst rasch verschärfen. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht zeigte sich bei der Vorstellung ihrer Reformvorschläge zuversichtlich, dass die Gesetzesänderungen noch in diesem Jahr beschlossen werden könnten - wenn Bund und Länder an einem Strang zögen, so Lambrecht.

Der vielleicht wichtigste Punkt: Sexualisierte Gewalt gegen Kinder soll künftig generell als Verbrechen eingestuft werden. Das bedeutet in allen Fällen eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsentzug. Der Strafrahmen für sexuellen Missbrauch von Kindern soll auf bis zu fünfzehn Jahre steigen. Eine Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit oder gegen Auflagen wäre damit ausgeschlossen. Bei schwerer sexualisierter Gewalt sollen Beschuldigte auch dann in Untersuchungshaft genommen werden können, wenn keine Flucht- oder Verdunkelungsgefahr vorliegt.

Besitz von Kinderpornografie als Verbrechen

Besonders deutlich sollen die Strafen für den Besitz und die Verbreitung von Kinderpornografie erhöht werden. Beides soll künftig mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr geahndet werden. Bisher können Täter mit Geldstrafen oder drei Monaten Haft davonkommen. Lambrecht sagte, bei diesen Darstellungen handele es sich nicht um fiktive Bilder, vielmehr werde Kindern "unglaubliches Leid zugefügt". Die Höchststrafen steigen den Vorschlägen zufolge von drei auf fünf Jahre für den Besitz und von fünf auf zehn Jahre für die Verbreitung der Bilder und Filme.

Symbolbild Kinderpornografie im Darknet
Die Verbreitung von Kinderpornografie soll mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden könnenBild: picture-alliance/dpa/P. Nissen

Netzwerke und Täterringe wie in den Missbrauchskomplexen von Münster und Bergisch Gladbach haben mit härteren Strafen nicht unter zwei und bis zu 15 Jahren Freiheitsentzug zu rechnen. Angesichts der Dimension solch systematisch organisierter Gräueltaten solle klar sein, dass die Täter mit aller Konsequenz verfolgt und bestraft würden, so die Bundesjustizministerin. Im Fall Bergisch Gladbach verfolgen die Ermittler inzwischen die Spuren von rund 30.000 Konsumenten und Tätern.

"Sexualisierte Gewalt" statt "sexueller Missbrauch"

Ferner soll im Strafgesetzbuch der Begriff "sexueller Missbrauch" durch "sexualisierte Gewalt gegen Kinder" ersetzt werden. "Kinder sind keine Sache, sie können nicht missbraucht werden - sondern es ist Gewalt, die ausgeübt wird und das wird sich auch im Gesetzestext ausdrücken", sagte Lambrecht zur Begründung.

Ein Wohnwagen hinter einer Polizeiabsperrung
Auf dem Campingplatz Eichwald in Lüdge wurden Kinder für Pornodrehs missbraucht Bild: picture-alliance/dpa/G. Kirchner

Der Gesetzesentwurf sieht des Weiteren eine bessere Vorbereitung des Justizwesens auf das Thema Kindesmissbrauch vor. So sollen Richterinnen und Richtern künftig psychologische und pädagogische Grundkenntnisse haben oder sich entsprechend fortbilden. Die Staatsanwaltschaften an Jugendgerichten soll für den Umgang mit Kindern, die als Zeugen befragt werden, besonders qualifiziert werden.

Missbrauchsbeauftragter: Ermittlungsdruck muss steigen

Außerdem will sich die Bundesjustizministerin in den Ländern und innerhalb der Bundesregierung dafür einsetzen, dass Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden mehr Geld und Personal bekommen.

Portrait-Aufnahme Johannes-Wilhelm Rörig
Johannes-Wilhelm Rörig Bild: picture-alliance/dpa/Reuters/F. Bensch

Besonders auf diesen Punkt dringt der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig. Er begrüßte die Vorschläge zwar im Grundsatz, mahnte aber mehr Anstrengungen bei den Strafermittlungen an. Ermittlungserfolge habe man gegenwärtig dort, wo, wie in Nordrhein-Westfalen, Personal verstärkt, Technik modernisiert und Schwerpunktstaatsanwaltschaften eingerichtet würden, sagte Rörig der "Passauer Neuen Presse". "Wir hätten viel höhere Erfolgsraten im Kampf gegen Missbrauch im Netz, wenn die IP-Adressen in Deutschland nicht so schnell gelöscht würden."

cw/qu (dpa, epd, kna)

Missbrauchsfall in Münster: Behörden versagen