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Klauen und Betteln als Sonderdisziplinen

Ingo Uhlenbruch21. Mai 2004

Die Olympischen Spiele 2004 sind nicht nur für die Werbebranche ein lukratives Geschäft. Auch albanische Kinderhändler wittern fette Beute und locken Minderjährige derzeit mit falschen Verprechungen nach Griechenland.

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Kinder arbeiten, <br>andere profitierenBild: TdH

Im Sommer 2004 werden Touristen aus aller Welt nach Athen strömen, um die zahlreichen Sportveranstaltungen der Sommer-Olympiade zu besuchen. Während sich Restaurantbesitzer und Verkäufer auf viele neue Kunden freuen dürfen, befürchtet die Kinderhilfsorganisation Terre des Hommes eine Zunahme des Kinderhandels zwischen Albanien und Griechenland.

"Die albanischen Kinderhändler erhoffen sich hohen Profit, wenn sie die Kinder auf die Straße schicken, um bei den vielen Touristen betteln zu gehen", erklärt Pierre Zwahlen von Terre des Hommes. Zwar sei es den Kinderschützern in der Vergangenheit gelungen, den Kinderhändlern das Leben schwer zu machen, doch dieser Erfolg sei nun gefährdet:

"Zurzeit sind einige hundert albanische Kinder in Griechenland auf der Straße. Das ist deutlich weniger als im Vergleich zum Jahr 2000. Da waren es noch mehrere tausend Betroffene. Mit den Olympischen Spielen wird sich das wohl wieder ändern."

Skrupellos

In Albanien leben die Familien häufig unter sehr schlechten Bedingungen und das Geld fehlt an jeder Stelle. Die Menschen suchen deshalb nach Möglichkeiten, an Geld zu kommen. Manche sind schließlich sogar dazu bereit, ihre Kinder an skrupellose Kriminelle zu verleihen. "Bei diesen Kinderhändlern handelt es sich oft um Verwandte oder Bekannte", sagt Pierre Zwahlen.

Die Kinder werden überwiegend in den Ortschaften Elbasan und Korça rekrutiert. Die Minderjährigen marschieren bei Nacht von ihrer Heimatstadt aus in Richtung Grenze und sind mehrere Tage unterwegs. Wer Glück hat, darf eine Teilstrecke im Kleintransporter zurücklegen.

Gerade einmal sieben bis etwa zwölf Jahre alt sind die Mädchen und Jungen. In Griechenland werden sie auf die Straße geschickt, um als Bettler möglichst viel Geld einzusammeln. Der größte Teil der Einnahmen landet später allerdings in den Taschen der Bewacher. Wenn die Ausbeute gering ist, müssen die Kinder oft mit Strafen rechnen. Schläge sind dann keine Seltenheit.

Fragwürdige Methoden

Hin und wieder wird ein Kind von der Polizei aufgegriffen und festgenommen. Das bedeutet jedoch nicht unbedingt ein Ende der Tortur. "Die stecken die Kinder ins Gefängnis. Einige kommen sogar mit erwachsenen Straftätern in eine Zelle. Das ist sehr gefährlich", sagt Terre des Hommes-Mitarbeiter Zwahlen.

Die Methoden der griechischen Behörden seien mehr als fragwürdig und man wünsche sich eine wesentlich bessere Zusammenarbeit. "Man kann nicht einfach nur die Straße aufräumen. Es hilft den Kindern nicht weiter, wenn sie weggesperrt werden. Und wer sie anschließend auch noch ohne Begleitung bis zur Grenze nach Albanien schickt, handelt nicht gerade verantwortungsbewußt", so Zwahlen weiter.

Albanische Kinder in Griechenland, Kinderhandel
Meist sind die Opfer noch sehr jungBild: TdH

In Albanien hingegen zeigten sich die Behörden wesentlich kooperativer. Dort nehme man "die Probleme sehr ernst" und arbeite gut mit den Kinderhilfsorganisationen zusammen. Seit einigen Jahren werden dort Seminare für Lehrer angeboten oder Aufklärungsmaterial an Schüler und Eltern herausgegeben.

Streetworker und Hotline

Auf die Olympia-Saison bereitet Terre des Hommes seine ehrenamtliche Helferinnen und Helfer mit besonderen Schulungen vor: "Wir bilden in den kommenden Wochen Freiwillige aus, die vor Ort als Streetworker tätig sein sollen. Das ist wichtige Präventionsarbeit, denn wir müssen aufpassen, dass die Kinder zukünftig nicht als Drogenhändler oder Prostituierte arbeiten müssen. Darüber hinaus planen wir eine Hotline für Betroffene, die wir bis spätestens Juli mit einem örtlichen Verein realisieren wollen."

Für die effektive Betreuung der Kinder sei aber ein sehr gutes Vertrauensverhältnis notwendig. "Bis dahin ist es meist ein langer Weg", bedauert Zwahlen. "Bei den ersten Gesprächen lügen die Kinder oft noch. Diese Lügen werden ihnen von den Kinderhändlern eingetrichtert. Dann hilft nur viel Geduld, bis wir ehrlich miteinander reden können."