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"Kollektiver Gedächtnisverlust"

Das Interview führte Vanessa Fischer6. August 2002

Sie ist sein Baby: Die Wahlkampfzentrale der SPD, "Kampa 02". Aber sie läuft nicht so heiß, wie im Wahljahr 1998. Ein DW-World Interview mit Matthias Machnig, Wahlkampfleiter und Bundesgeschäftsführer der SPD.

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Wahlkämpfer Matthias Machnig: Wer Inhalte transportieren will, muss personalisieren.

Herr Machnig, die SPD hat 1998 hat einen sehr erfolgreichen Wahlkampf mit der Kampa geführt, der in Deutschland als besonders innovativ bewertet wurde. Was hat sich auch im Hinblick auf die politischen Veränderungen der letzten vier Jahre für die Wahlkampfstrategie der SPD verändert?

Wir haben heute eine andere Ausgangsvoraussetzung. Wir sind heute Regierungspartei und daher können wir im Wahlkampf auch nur die Themen ansprechen, die auch in Regierungshandeln umgesetzt werden können. Während die CDU einen Wahlkampf führt, der unverantwortlich ist, der die Menschen täuscht, weil viele der Dinge, die Herr Stoiber propagiert, einfach nicht umgesetzt werden können: Sie sind nicht finanzierbar und sie würden die soziale Symmetrie in diesem Land auseinanderreißen. (...)

Das muss man in der Auseinandersetzung mit Herrn Stoiber klar machen. Ferner ist Herr Stoiber Vertreter einer Regionalkultur, er vertritt nicht dieses Land und auch nicht die gesellschaftliche Mitte in diesem Land. Deshalb wird dieser Wahlkampf auch am Ende darüber entscheiden, welche politische Stilistik die Menschen in Deutschland wollen.

Die CDU fährt einen so genannten Kompetenzteamwahlkampf. Er soll versprechen, dass für jedes Ressort – im Falle eines Wahlsieges - ein Experte bereitsteht. Was sind die Vor- und Nachteile eines personenbezogenen Wahlkampfes?

Also zunächst einmal kann ich vom Kompetenzteam auf CDU-Seite wenig entdecken. Das sind die alten Gesichter, die Täter von gestern, die dieses Land in eine schwierige Situation bis 1998 gebracht haben und die plötzlich zu Heilsbringern gemacht werden. Das finde ich nicht sehr glaubwürdig ...

Noch einmal zurück zur Strategie. Wo liegen die Vorteile eine personenbezogenen Wahlkampfes?

Ich glaube, die Trennung von Personenwahlkämpfen und Inhaltswahlkämpfen ist eine Fiktion. Person und Inhalt gehören zusammen. Eine Partei kann sich in einem Wahlkampf nur inhaltlich positionieren, nur so kann man Wählerinnen und Wähler erreichen. Aber wer Inhalte transportieren will, muss personalisieren. Denn in einer Mediengesellschaft wie der unseren kann die Öffentlichkeit nur durch die Verbindung eines Themas mit einer bestimmten Person angesprochen werden.

Der Wahlkampf in den USA ist extrem personenbezogen. Lassen sich die Strategien des amerikanischen Wahlkampfes überhaupt auf die deutsche Realität übertragen?

Nein, ich halte das Gerede von Amerikanisierung hier in Deutschland für unsinnig. Die meisten, die darüber reden, haben nie einen amerikanischen Wahlkampf erlebt. Da gibt es so viele Differenzen, vom Wahlsystem über die Medienlandschaft, die Bedeutung der Parteien und ihre Rolle im Wahlkampf. Das kann man überhaupt nicht miteinander vergleichen. Deswegen werden wir einen Wahlkampf führen, der auf die politische Kultur in diesem Land ausgerichtet ist. (...)

Meinungsforschung ist ein Hilfsinstrument und Stimmungsindikator und gibt einem Hinweise, auf welche Themen man im Wahlkampf besonders achten muss. Aber Meinungsforschung kann politische Entscheidung nie ersetzen. Macht man sie zur Grundlage von politischen Entscheidungen, endet man im Populismus und der ist bei der Bewältigung von Zukunftsaufgaben kein guter Ratgeber.

Nun wird Gerhard Schröder ja vorgeworfen, er sei der Meister des Populismus ...

Gerhard Schröder ist ein populärer Bundeskanzler, dem viel Sympathie entgegen gebracht wird, der viel Zustimmung hat. Schröder hat aber ebenso unpopuläre Entscheidungen getroffen, wie zum Beispiel Haushaltskonsolidierungspolitik zu betreiben. Das bedeutet Einschnitte, ist aber für die Zukunft des Landes von zentraler Bedeutung.

Herr Machnig, vielen Dank für dieses Gespräch!