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Politik

Auf zum letzten Gefecht!

4. August 2018

Mit einer linken Sammlungsbewegung, deren Homepage jetzt online ist, will Sozialistin Sahra Wagenknecht neue politische Mehrheiten schaffen. Doch die Initiative wirkt wie aus der Zeit gefallen, meint Marcel Fürstenau.

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Deutschland, Leipzig: Sahra Wagenknecht beim Bundesparteitag der Partei Die Linke
Bild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

"Wir haben keinen rechten Zeitgeist, eher einen linken" - behauptet die Fraktionschefin der Linken im Deutschen Bundestag, Sahra Wagenknecht, im Interview mit dem "Spiegel". Eine gewagte These angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Parlament und der politischen Stimmung. Denn im aktuellen Deutschlandtrend kommt das vermeintlich linke Lager aus Sozialdemokraten, Grünen und Wagenknechts eigener Partei zusammen nur auf bescheidene 42 Prozent. Viel zu wenig, um auch nur theoretisch gemeinsam eine Regierung bilden zu können.

Die Trendwende soll mit einer neuen linken Sammlungsbewegung gelingen, die Wagenknecht mit Gleichgesinnten Anfang September offiziell vorstellen will. "Aufstehen" heißt das Projekt, dessen gleichnamige Website aber schon jetzt freigeschaltet wurde. Darauf können sich Interessierte mit ihrem Namen und ihrer Mail-Adresse registrieren. Aber wofür? Wer die Seite besucht, erfährt zunächst nichts über die Ziele der Initiative und die dahinter stehenden Personen.

Kein Appell, kein Manifest - stattdessen Videos mit Menschen, die über ihre Sorgen, Hoffnungen und Träume berichten. Da fallen Sprüche wie "Flaschen sammeln darf keine Lösung sein!" Stimmt, bestreitet niemand, aber die Welt ist komplexer. Einfache Lösungen gibt es leider nicht.  

Deutsche Welle Marcel Fürstenau Kommentarbild ohne Mikrofon
DW-Reporter Marcel FürstenauBild: DW

Eine rechte Sammlungsbewegung sitzt schon im Bundestag

Krieg, Flucht, Vertreibung, Hunger, Klimawandel, Armut (auch in reichen Ländern), obszöner Reichtum (auch in armen Ländern) - von Gerechtigkeit kann wahrlich keine Rede sein. Deshalb sind die Motive der sich anbahnenden Sammlungsbewegung aller Ehren wert und verdienen Unterstützung. Aber der Weg wird wohl leider in eine Sackgasse münden, weil sich die ohnehin schon zerstrittenen linken Kräfte noch mehr zersplittern werden.

Wagenknechts Projekt mutet fast schon schizophren an. Im Parlament ist sie Wortführerin der linken Opposition und außerhalb des Deutschen Bundestags wirbt sie für eine Sammlungsbewegung, die den gewählten Volksvertretern den Marsch blasen soll. In gewisser Weise opponiert die 49-Jährige gegen sich selbst. Dabei übersieht sie, dass es längst eine Sammlungsbewegung gibt, allerdings auf der rechten Seite des politischen Spektrums: die Alternative für Deutschland (AfD).

Ohne weitere Zugpferde kann es nicht klappen

Die Populisten fischen mit Ressentiments gegen Flüchtlinge und Einwanderer nicht nur im Teich der Konservativen, sondern auch in dem der Linken. Das ist ein weiterer Beleg dafür, dass der Zeitgeist entgegen Wagenknechts Annahme tendenziell eher rechts(populistisch) als links ist. Daran wird die neue Sammlungsbewegung so schnell nichts ändern können. Vor allem deshalb, weil die positive Resonanz bei SPD und Grünen fehlt. Deren Spitzenpersonal lehnt das seit Monaten nebulös angekündigte Projekt ab. Wagenknecht selbst räumt ein: "Diejenigen, die sich aus machtpolitischen Gründen von einer Sammlungsbewegung bedroht fühlen, sind natürlich dagegen."

Wie und mit wem soll dann aber der Druck entstehen, um an den bestehenden Verhältnissen etwas zu ändern? Noch fehlen die großen Namen, die in einer Medien-Demokratie unverzichtbar sind, um die Massen zu bewegen. Und es spricht im Moment nichts dafür, dass sich ein politisches Schwergewicht der Sammlungsbewegung anschließen wird. Die Abgeordneten Marco Bülow (SPD) und Sevim Dagdelen (Linke) sind - bei allem Respekt - keine Zugpferde. Das gilt auch für Antje Vollmer (Grüne), die sich schon lange aus der aktiven Politik zurückgezogen hat.

So löst man keine Begeisterung aus

Dieses Trio hat sich als Unterstützer der linken Sammlungsbewegung zu erkennen gegeben - allerdings nicht auf der "Aufstehen"-Website, sondern im "Spiegel". In einem gemeinsam verfassten Kommentar beklagen die drei, Deutschlands Linke sei "zersplittert und schwach". Deshalb fordern sie einen "Aufbruch aus dem Elfenbeinturm in die Wirklichkeit". Sie wollen darüber debattieren, "wie das Gegenkonzept zum herrschenden Politikmodell der vergangenen 30 Jahre aussehen könnte".

Mit so einem vagen Konzept lassen sich kaum massenhaft Menschen für eine Sammlungsbewegung begeistern, die erklärtermaßen keine neue Partei gründen will. "Sie versteht sich vorrangig als außerparlamentarische Bewegung", heißt es in dem Kommentar der Wagenknecht-Unterstützer. Die politischen Weichen werden aber nun einmal im Parlament gestellt. Deshalb wirkt das Projekt "Aufstehen" schon zum Zeitpunkt seiner Gründung wie das letzte Gefecht enttäuschter Linker aus unterschiedlichsten Parteien und Milieus. Sollte dieses Gefecht erfolgreich enden, wäre das ein Wunder.

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