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Politik

Der Brexit und die britische Demokratie

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
24. Januar 2017

Kein Brexit ohne Beteiligung des Parlaments - das hat der Supreme Court klar gestellt. Aber der Streit um das Urteil zeigt, dass demokratische Grundsätze auch in Großbritannien gefährdet sind, meint Barbara Wesel.

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England Demonstranten für und gegen den Brexit in London
Demonstranten vor dem Gebäude des Supreme Court in LondonBild: imago/Pacific Press Agency/A. Pezzali

Eigentlich hätte dieses Verfahren nicht nötig sein sollen. Denn wie kann eine Regierung sich anmaßen, den Ausstieg aus der EU zu betreiben, ohne die gewählten Volksvertreter darüber abstimmen zu lassen? Das ist antidemokratisch und ein Verhalten, wie man es sonst nur von Autokraten vom Schlage Putins oder Erdogans kennt. Theresa May hat sich und ihrer Legitimität keinen Gefallen mit dem Versuch getan, den Brexit an jedem politischen Widerstand vorbei zu schleusen.

Blinde Stellen im Demokratieverständnis

Der Streit um den Supreme Court und seinen Richterspruch hat peinliche blinde Stellen im britischen Demokratieverständnis offen gelegt. Das betrifft zum einen die Clique der Brexiteers, denen jede Methode Recht ist, um ihre politischen Gegner in den Staub zu treten. Ihre Missachtung demokratischer Grundsätze und Umgangsformen zeigt, dass das auch die britischen Konservativen schon länger auf dem Wege der "Trumpisierung" sind.

Das geht so weit, dass die Justizministerin sich nicht vor ihre höchsten Richter stellte, als die rechte Hetzpresse sie als "Feinde des Volkes" beschimpfte. Der Brexit scheint inzwischen den Charakter einer übergeordneten Staatsraison angenommen zu haben, der alles und jedes rechtfertigt. Und er ist auf dem besten Wege, nicht nur die Verbindung zu Europa, sondern auch die britische Demokratie selbst ernsthaft zu schädigen.

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Barbara Wesel ist Korrespondentin im DW-Studio Brüssel

Unerträgliche Hetze gegen Klägerin

Wirklich unverzeihlich und widerlich ist dabei der Umgang mit der Klägerin Gina Miller durch viele Brexit-Anhänger und ihre Trolle. Sie hat dem Land einen Gefallen damit getan, das Recht des Parlamentes in dieser wichtigen Frage durchzusetzen. Und sie zahlt dafür einen hohen Preis: Sie und ihre Familie werden seitdem bedroht und mit einer Flut von verbaler Jauche überschüttet. Gina Miller wurde nicht nur politisch für ihre Initiative angegriffen, sondern auch sexistisch und rassistisch auf das Ekelhaftestse attackiert. Doch wo blieb hier eine Klarstellung von Theresa May und ihren Brexit-Ministern, dass politische Auseinandersetzungen in Großbritannien in zivilen Formen und nicht mit Hilfe von Morddrohungen stattfinden sollten? Fehlanzeige!

Boris Johnson, David Davis und Liam Fox, den drei Anführern der Brexit-Fraktion, ist erkennbar jedes Mittel Recht, um die Opposition mundtot zu machen. Dabei ist nach wie vor nicht wirklich klar, wie der Ausstieg funktionieren soll. Und der Nutzen für Großbritannien und seine Wirtschaft wird weiter von vielen Fachleuten bestritten. Aber seine Befürworter verfolgen ihn mit quasi-religiöser Inbrunst und der gleichen Irrationalität.

Die Stunde des Parlaments

Für die EU ändert das Urteil in London nichts an den Tatsachen: Sie wartet darauf, dass Theresa Mey  die Zustimmung ihrer Abgeordneten einholt und dann den Ausstieg nach Artikel 50 des EU-Vertrags von Lissabon auslöst. Für das Parlament in Westminster aber kommt jetzt die Stunde der Bewährung: Die Volksvertreter müssen die Belange der britischen Bürger beim Brexit wahren. Da geht es um Arbeitnehmer-, Verbraucherrechte und vieles mehr. Und sie müssen gleichzeitig die demokratischen Traditionen des Landes schützen, die seit dem Brexit-Referendum und durch dessen Propagandisten in Gefahr sind.

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