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Kommentar: Europa im Kometenfieber

Cornelia Borrmann12. November 2014

Seit der Mondlandung hat keine Raumfahrtmission die Menschen so bewegt wie Rosetta. Es ist die Verwirklichung einer Vision und die Sehnsucht nach unbekannten Welten, meint DW-Weltraumexpertin Cornelia Borrmann.

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Aufregung im ESA-Kontrollzentrum am Tag der Philae-Landung (Foto: ESA).
Bild: ESA/J. Mai

Vor einigen Wochen hatte ich das Vergnügen, Alfred Worden zu interviewen. Er gehört zu den Glücklichen, die bei den Sternstunden der Raumfahrt dabei waren, Neuland erobern und Außergewöhnliches erleben durften - als Apollo-Astronaut. Alfred Worden ist einer von sechs Männern, die mehrere Tage allein in einer Raumkapsel den Mond umkreisten.

Wir sprachen über die Aufbruchsstimmung damals und die NASA heute, die ziemlich visionslos und flügellahm daherkommt. Als ich ihn zur Raumfahrt in Europa befragte, wurde der Entdeckergeist in dem mittlerweile 82-Jährigen wieder wach: "Diese Kometenmission, die ihr da macht, eine tolle Sache", lobte er anerkennend.

Dann telefoniere ich mit einem langjährigen Freund, absolut kein Raumfahrtfan. Er sagte - diese Landung auf dem Kometen - das ist doch so bedeutend wie die Mondlandungen, ein Stück Raumfahrtgeschichte! Und das machen wir, die Europäer... Dass er bei mir da Eulen nach Athen trägt, wusste er. Ich glaube, die Begeisterung musste einfach raus aus ihm.

Was macht die Rosetta-Mission so anziehend, dass sie gestandene Raumfahrer und den Durchschnittsbürger gleichermaßen berührt?

Die abenteuerlichen Herausforderungen, die mit diesem ehrgeizigen Vorhaben verbunden sind, spielen bestimmt eine Rolle. Wir erinnern uns: Gleich zu Beginn mussten alle Beteiligten Unmögliches möglich machen. Andernfalls hätte es gar keine Rosetta-Mission gegeben.

Denn wegen technischer Probleme mit der Trägerrakete wurde der Start um ein Jahr verschoben. Der ursprüngliche Zielkomet war dann nicht mehr zu erreichen. Innerhalb kürzester Zeit haben Forscher und Ingenieure nach einer Alternative gesucht, einen neuen Zielkometen gefunden und so die Mission gerettet.

Womöglich ist es auch diese beflügelnde Energie, die aus der Hingabe für eine Vision erwächst und die uns berührt. Vielleicht weil wir sie in unserem eigenen Arbeitsalltag kaum noch erleben? Die Identifikation mit einer großen, sinnvollen Sache, einer Aufgabe, einem gemeinsamen Ziel, das alle verbindet und trägt?

Unermüdlicher Forschergeist

Cornelia Borrmann (Foto: DW).
DW-Weltraumexpertin Cornelia BorrmannBild: DW

Diese ganz besondere Energie - der echte Forschergeist - wurde wieder spürbar, als Rosetta im Januar 2014 aus ihrem zweieinhalbjährigen Winterschlaf geholt wurde - und die Menschen im Satellitenkontrollzentrum sich vor Freude jubelnd in die Arme fielen. Solche Glücksmomente gibt es also nicht nur auf dem Fußballfeld.

Daneben sind es aber wohl auch die ganz großen Fragen, die uns in ihren Bann ziehen. Bei der Rosetta-Mission geht es um nichts Geringeres als um die Wurzeln unserer Existenz, um den Ursprung allen Lebens. Der technische Aufwand zur Klärung dieser Fragen ist angesichts ihrer philosophischen Dimension durchaus angemessen.

Beeindruckend ist zweifellos auch das Können der Flugingenieure im Europäischen Satellitenkontrollzentrum ESOC in Darmstadt. Komplexe Manöver haben sie gemeistert, die höchste Präzision erfordern. Wie die Vorbeiflüge an Erde und Mars, sogenannte "swing-by"- Manöver, die der Raumsonde Rosetta den nötigen Schub gaben für die mehr als sechs Milliarden Kilometer lange Reise zu ihrem kosmischen Rendezvous mit "Tschuri". Und nun die Landung... Absolutes Neuland!

Keine Frage, da sind Spitzenleute am Werk. Ein kleiner Fehler kann das Scheitern der gesamten Mission nach sich ziehen. Das hat die Raumfahrt schon mehrmals gezeigt. "Failure is not an option". Das Zitat von Apollo 13 Flight Director Gene Kranz gilt nach wie vor.

Ohne Verantwortungsbewusstsein, Kompetenz und Umsicht geht es in der Raumfahrt nicht. Auf der Erde scheint das immer öfter anders zu sein. Denken wir an die endlose Geschichte des Großflughafens von Berlin und und und... Die Raumfahrt als Beispiel dafür, wie eine Leistungsgesellschaft funktioniert. Auch dafür steht die Rosetta-Mission.

Atemberaubende Bilder

Außerdem hat Rosetta während ihrer zehnjährigen Reise viele atemberaubende Fotos gemacht - spektakuläre Selfies, Aufnahmen von Erde, Mars, auch Asteroiden. Und natürlich vom Kometen "Tschuri". Bilder, die exotische Landschaften zeigen, deren Details uns staunen lassen.

Durch diese Bilder erscheint die unerreichbare "Tschuri"-Welt zum Greifen nah. Und Sehnsucht kommt auf nach großen Abenteuern und der Erkundung unbekannter Welten. Die konnte Christopher Columbus noch erleben - aber wir? Und dann erfahren wir, dass es auf dieser fernen Welt sehr irdisch riecht, nach Pferdemist und faulen Eiern. Das hätten wir so nicht erwartet und wir staunen nur noch über die Natur.

Und freuen uns schon auf die Abenteuer, die wir mit dem Landeroboter "Philae" erleben dürfen.