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Politik

Letzte Chance für das Einheitsdenkmal

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Gero Schließ
15. Februar 2017

Im April 2016 hatte der Haushaltsausschuss den Bau des deutschen Einheitsdenkmals gestoppt. Jetzt soll es überraschenderweise doch kommen. Es wäre ehrlicher gewesen, es in der Versenkung zu belassen, meint Gero Schließ.

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Freiheits- und Einheitsdenkmal in Berlin
Bild: picture-alliance/dpa/BBR

Augen zu und durch, das scheint das Motto all jener im Bundestag zu sein, die jetzt das Einheitsdenkmal in letzter Minute doch noch auf den Weg bringen wollen. Wenige Monate vor Ende der Legislaturperiode hat sich die Große Koalition durchgerungen, die bereits totgesagte Einheitswippe doch noch zu bauen.

Das ist eine späte Antwort auf die Entscheidung des Haushaltsausschusses vom April vergangenen Jahres, das Projekt wegen galoppierender Baukosten zu stoppen. Das hatte damals den harten Kern der Befürworter empört, aber keinen breiten Protest ausgelöst.

Umso überraschender ist jetzt die parlamentarische Hau-Ruck-Aktion, zu der wohl zuletzt Bundestagspräsident Lammert mit seinem flammenden Appell vor der Bundesversammlung den Anstoß gegeben hatte.

Eine vielbespöttelte Wippe

Denn genau genommen hat sich die Entscheidungsgrundlage nicht geändert. Mit der vielbespöttelten Einheitswippe vor den Mauern des bald wiedererstandenen Berliner Stadtschlosses sollte Freude und Dankbarkeit für die Widervereinigung und den Sieg der Freiheit ausgedrückt werden.

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Gero Schließ ist Kulturkorrespondent in Berlin

Doch die Zweifel an dem von der Choreografin Sasha Walz und dem Architekten Mila und Partner ausgearbeiteten Entwurf sind geblieben. Da mögen die Fraktionschefs Kauder (CDU) und Oppermann (SPD), die Kulturpolitiker beider Parteien und allen voran Bundestagspräsident Norbert Lammert ihr politisches Gewicht für die Wippe noch so entschlossen in die Waagschale werfen.

Diese Zweifel - damals wie heute - sind zunächst einmal ästhetischer Natur: Die Wippe mit ihrer 50 Meter langen, begehbaren Schale wirkt verkopft, unentschlossen. Der als großer Spielplatz der Demokratie konzipierte Entwurf aus dem Jahre 2009 hat von Beginn an nicht überzeugt. Und es ist ungewiss, ob er heute noch das völlig veränderte gesellschaftliche Klima passt.

Aber auch die aus dem Ruder gelaufenen Baukosten sind nach knapp einem Jahr nicht plötzlich wie durch ein Wunder wieder unter Kontrolle gekommen.

Und selbst die im Zuge der Bauplanung aufgestöberten Fledermaus-Kolonien, die zu einer kostspieligen Verzögerung führten, könnten wieder aufmüpfig werden.   

Keinem fehlt das Einheitsdenkmal

Und am wichtigsten: Am Ende hat das Einheitsdenkmal kaum noch einem gefehlt.  Denn dieser Idee hing stets etwas Künstliches, Aufgepfropftes an. In der Mitte der Bevölkerung ist sie nie angekommen. In den USA oder Frankreich wäre das undenkbar. Aber die Deutschen haben immer noch ein gebrochenes Verhältnis zu ihrer Geschichte. Selbst wenn es Freudenmomente sind wie die Wiedervereinigung. Die Befürworter haben das zu spät erkannt. Und auch die Zeit nach der Entscheidung des Haushaltsausschusses nicht genutzt, um den schmerzlich vermissten öffentlichen Diskurs endlich zu führen.

Kulturstaatsministerin Grütters hatte es zwischenzeitlich versucht und gefragt, ob die Deutschen überhaupt denkmalfähig seien und sich über eine nationale Erzählung verständigt hätten.    

Vergebliche Suche nach einer Alternative

Gleichzeig hatte Grütters das Brandenburger Tor als Ersatz ins Gespräch gebracht. Und wohl im Stillen gehofft, dass damit das von ihrem Vorgänger Bernd Neumann geerbte Projekt endgültig beerdigt sei. Zuletzt hatte sie sogar gefordert, das Findungsverfahren neu aufzurollen - alles vergeblich. 

Das Einheitsdenkmal in der Versenkung zu belassen, wäre die beste, und zum jetzigen Zeitpunkt ehrlichste Lösung gewesen.

Doch davon wollten die Spitzen der Großen Koalition nichts wissen. Nach dem jahrelangen peinlichen hin in und her wollten eine offene politische Flanke schließen. Und dem mächtigen Haushaltsauschuss seine Grenzen zeigen. 

Fertigstellung zum 30. Jahrestag der Einheit?

Sobald das Parlament einen entsprechenden Beschluss fasst und das Geld bereitstellt, kann der erste Spatenstich gesetzt werden. Wenn alles nach Plan läuft, was bei Baustellen der öffentlichen Hand einem Wunder gleichkäme, könnte die Einheitswippe pünktlich zum 30. Jahrestag der Wiedervereinigung in Betrieb genommen werden.

Bis dahin haben Monika Grütters und die Befürworter noch die Chance, mit den Deutschen ins Gespräch über Deutschland und das Denkmal zu kommen. Sie sollten sie unbedingt nutzen!

Man wird sehen, ob sich die Menschen am Ende doch noch in der Idee der Einheitswippe wiederfinden, auch wenn das Land mittlerweile ein ganz anderes geworden ist.  

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