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Glaube

Noch ein Erfolg für Papst Franziskus

Stefan Dege4. Oktober 2015

In Rom hat die Familiensynode zu Ehe und Familie begonnen. Schon die breite Diskussion, die Papst Franziskus im Vorfeld entfacht hat, ist ein Meilenstein seines Pontifikats, meint DW-Redakteur Stefan Dege.

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Papst Franziskus besucht Gefängnis in Philadelphia - Foto: REUTERS/Jonathan Ernst
Bild: Reuters/J. Ernst

Die Akzeptanz seiner Kirche bei den Menschen liegt Franziskus am Herzen. Was liegt da näher, als zunächst vor der eigenen Haustür zu kehren? Den Missbrauchsskandal hat er angepackt und die Vatikanfinanzen neu geordnet. Franziskus setzt auf Mitsprache bei der Leitung der Weltkirche. Jetzt nimmt er die Sexualmoral seiner Kirche in den Focus.

Kein Papst vor ihm war so sehr um schonungslose Bestandsaufnahme bemüht: Ist Kirche zeitgemäß? Passt ihre Lehre noch zu den veränderten Lebenswirklichkeiten der Gläubigen? Ist sie offen für Menschen, deren Leben Brüche aufweisen, für Geschiedene, für Homosexuelle? Nein, besagen die von Franziskus initiierten weltweiten Umfragen. Kirche wirkt in der öffentlichen Wahrnehmung nicht selten als ein geschlossener Club von Rechtgläubigen und Rechthabern. Etwas muss sich ändern.

Wer bewegt sich zuerst?

Was aber dient der Menschheit mehr: Wenn sich das Denken in der Kirche ändert? Oder wenn die Kirche auf unveränderlichen Positionen beharrt – auch auf die Gefahr hin, dass Gläubige sich ausgegrenzt fühlen und immer mehr Katholiken ihrer Kirche den Rücken kehren?

Stefan Dege, Kirchenexperte der DW - Foto: DW
Stefan Dege, Kirchenexperte der DW

Diese Fragen haben alte Gräben in der Kirche aufgerissen. Reformer und Traditionalisten kämpfen um den künftigen Kurs. Mit immer härteren Bandagen wird gefochten, nicht nur im Vatikan, auch in den Bistümern rund um den Globus. Viele befürchten eine Kirchenspaltung. Und der Papst? Er vermeidet bislang, wozu er qua Amt die Macht hätte: ein Machtwort. Stattdessen lädt er zu Diskussionen ein, speist diese mit Anregungen und Diskussionen, fast wie ein Moderator. Er setzt auf Interessenausgleich, auch bei dieser Familiensynode. Mit Entscheidungen ist deshalb auf dem Weltbischofstreffen kaum zu rechnen. Doch die Erwartungen sind hoch.

Erfolgsrezept: Bescheidenheit

Franziskus indes spielt auf Zeit. Er beweist Weitblick. Ihm ist am Zusammenhalt seiner Kirche gelegen. Er weiß, dass Kirche alle braucht - die Befürworter ebenso wie die Gegner von Neuerungen. Schnelle Festlegungen aber grenzen aus. Nicht alles muss während seines Pontifikats entschieden und gerichtet werden. Dieser Papst handelt uneitel. Mehrfach hat er durchblicken lassen, dass seine Kraft irgendwann am Ende und die Zeit für seinen Rücktritt gekommen sein könnte. Gerade diese Bescheidenheit, die seine eigene Rolle relativiert, macht Franziskus glaubwürdig und nötigt Respekt ab.

Ja, dieser Papst ist der politischste seit langem, der deutlichste, der unerschrockenste - und der menschenfreundlichste. Er tritt auf mit starken, symbolhaften Gesten. Unvergessen sind seine Gebete mit Flüchtlingen auf Lampedusa oder sein Besuch an der Klagemauer in Jerusalem. Soeben kehrt er von einer Amerika-Reise zurück. Auch dort hat er den Mächtigen ins Gewissen geredet - in Kuba, in Kolumbien, in den USA, bei den Vereinten Nationen. Er erhob die Stimme der Armen und Unterdrückten. Er geißelte die Auswüchse des globalen Finanzsystems. Vor Wochen schon hat er die Europäer an ihre Verantwortung in der Flüchtlingskrise erinnert.

Papst Franziskus hat heute schon viel mehr erreicht als viele Päpste vor ihm. Seine Kirche ist zurück auf der politischen Weltbühne. Sie wird gehört als moralische Instanz. Sie stellt sich, dank ihm, den Fragen ihrer Zeit. Dazu gehört der Streit um das katholische Familienbild. So ist die Familiensynode - selbst eine zerstrittene - schon ein Erfolg. Und sicher nicht der letzte dieses Papstes.

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