1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Kurden rufen zu Gewalt in Europa auf

Chase Winter mb
13. März 2018

Nach einer Serie von Anschlägen auf türkische Einrichtungen hat eine in Deutschland ansässige kurdische Jugendgruppe weitere Gewalttaten in Europa angekündigt. Man werde Europas Städte "in Schutt und Asche legen".

https://p.dw.com/p/2uEl4
Berlin Brandanschlag auf türkische Moschee
Angesengte Gebetbücher nach einem Anschlag auf eine Berliner MoscheeBild: Getty Images/A. Gerry

Roja Ciwan, eine in Deutschland ansässige kurdische Jugendorganisation, zeigte auf ihrer Website Videos von einigen der Angriffe vom Wochenende. In einer Mitteilung hieß es zudem, europäische Staaten, die die türkischen Militäroperationen unterstützten, würden dafür den Preis zahlen: Die Staaten Europas müssten verstehen, dass man nicht tatenlos zusehe, "wie unsere Bevölkerung in Rojava massakriert wird". Die bisherigen Taten reichten nicht aus, es sei an der Zeit, den Krieg nach Europa zu bringen. Vorangegangen war ein Wochenende der Proteste und Auseinandersetzungen mit der Polizei und Angriffen auf türkische Moscheen.

Als mögliche Ziele nennt Roja Ciwan sowohl türkische Botschaften und Gruppen mit Beziehungen zu Ankara als auch Geschäfte und Cafés. Die Gruppe bedroht zudem Büros der regierenden Parteien CDU, CSU, SPD sowie Gerichte und Polizeistationen. Wer auch immer den Krieg gegen ihre Bevölkerung unterstütze oder verteidige, müsse dafür "zahlen". Wenn niemand zuhöre, werde man Europas Innenstädte in "Schutt und Asche" legen, egal was dann brenne. Europa müsse verstehen, dass man den Verlust Afrins nicht erlauben werde, heißt es weiter.

Ein ähnlicher Aufruf erfolgte von der Jugendinitiative Apoist. Diese Gruppe paneuropäischer Antifaschisten folgt dem inhaftierten PKK-Anführer Abdullah Öcalan, der von seinen Anhängern auch "Apo" genannt wird.

Protest gegen türkische Militärinitiative in Syrien

Kurden in Deutschland demonstrieren seit Beginn der türkischen Offensive in Afrin. So kam es auch am Montag erneut zu Protesten in Städten wie Hamburg, Berlin oder Bonn.

Ankara startete seine Militäraktion gegen die von Kurden kontrollierte Region im Norden Syriens am 20. Januar. Die von der Türkei angeführten Streitkräfte haben die von der syrischen Kurden-Miliz YPG kontrollierten Enklave umstellt und sollen die Stadt Afrin inzwischen eingekesselt haben. Kurden warnen vor einem drohenden "Massaker" und "ethnischen Säuberungen".

Afrin wird seit sechs Jahren von der der PKK angehörigen YPG kontrolliert. Die Kurden-Miliz gilt als wichtigste Gruppe im US-geführten Kampf syrischer Streitkräfte  gegen den sogenannten "Islamischen Staat".

PKK-nahe Jugendgruppen

Der Aufruf der Jugendgruppen zu Gewalt erfolgt in einer Zeit, in der sich Kurden auf das jährliche Neujahrsfest Newroz am 21. März vorbereiten. Diese Feier zum Frühlingsanfang nutzen Kurden auch, um politische Themen wie Widerstand und Unterdrückung zu thematisieren.

Kurdische Gruppen in Deutschland sind unter einer Fülle von Abkürzungen organisiert, die meisten unter dem Dach der Organisation NAV-DEM. Diese Bewegung wird von kurdischen Nationalisten und Politkern aus dem linken Spektrum unterstützt. Der Verfassungsschutz schätzt NAV-DEM als PKK-nah ein; die PKK bezeichnet der Verfassungsschutz als "schlagkräftigste ausländerextremistische Organisation Deutschland".

Die PKK und ihre unzähligen Unterorganisationen sind bekannt dafür, direkt oder indirekt Jugendarbeit zu betreiben. Das in Berlin beheimatete Kurdische Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit (Civaka Azad), das NAV-DEM nahesteht, erklärte gegenüber der DW, man habe nichts mit Roja Ciwan zu tun. "Wir konzentrieren uns gegenwärtig darauf, mögliche Angriffe auf und Massaker an der Zivilbevölkerung in Afrin zu verhindern, und wir rufen Deutschland auf sicherzustellen, dass sich die Türkei an internationales Recht hält", sagte ein Sprecher.

Streit weitet sich auf Deutschland aus

Der innertürkische Konflikt hat sich längst ausgeweitet auf Deutschland, wo viele Kurden und Türken leben. Der vorläufige Höhepunkt: Am Wochenende setzten Jugendliche eine Berliner Moschee in Brand, und in der Kleinstadt Lauffen am Necker gab es einen Brandanschlag auf eine Moschee. Beide Moscheen unterstehen der Führung der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB). Der größte islamische Dachverband in Deutschland wird immer wieder für seine Nähe zur türkischen Regierung kritisiert.

Neben den Moscheen wurden am Wochenende an anderen Orten ein türkisches Lebensmittelgeschäft und ein türkisch-deutscher Freundschaftsverein Ziel von Brandanschlägen. In Berlin und Düsseldorf kam es zu Kämpfen zwischen kurdischen und türkischen Demonstranten.

Türkische Regierung verlangt Erklärung

In einer diplomatischen Note an den deutschen Botschafter in der Türkei von Montag rief Ankara Deutschland auf, mehr dafür zu tun, die Verantwortlichen für die Moschee-Anschläge ausfindig zu machen. Berlin müsse "sensibler" für Angriffe wie diese sein, auch um sie verhindern zu können, sagte der Sprecher der türkischen Regierung Bekir Bozdag.

Sorgen wegen der türkisch-kurdischen Kämpfe in Deutschland

In Deutschland leben rund drei Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln. Rund ein Drittel sind ethnische Kurden, die zwischen den 1960er- und 90er-Jahren der Arbeit wegen nach Deutschland kamen - oder um vor der Verfolgung in der Türkei zu fliehen.

Schon lange gibt es Warnungen davor, dass sich der Konflikt zwischen kurdischen Nationalisten und dem türkischen Staat in Deutschland weiter ausbreitet. Es wäre nicht das erste Mal. So kam es auf dem Höhepunkt des Konflikts in den 1980er- und 90er-Jahren immer wieder zu Zusammenstößen.