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Der Nichtwähler

Volker Wagener12. Mai 2015

Immer mehr Deutschen ist es egal, wer bei Wahlen gewinnt. So wie kürzlich in Bremen - da lag die Wahlbeteiligung bei 50 Prozent. Eine Annäherung an eine soziologisch schwer zu fassende Gruppe in zehn Schritten.

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Deutschland Nach der Bundestagswahl Nichtwähler demonstrieren vor dem Reichstag
Bild: picture-alliance/dpa

1. Nichtwähler lassen sich klassifizieren: Es gibt die sporadischen Nichtwähler, den Erst-Nichtwähler, den Dauer-Nichtwähler und den Wahlverweigerer. Dies hat eine Studie der SPD nahen Friedrich-Ebert-Stiftung zutage gefördert.

2. Der Durchschnitts-Nichtwähler ist eher weiblich, zwischen 45 und 59 Jahre alt, vorzugsweise im Osten Deutschlands zuhause und Geringverdiener.

3. Ausgerechnet im Osten Deutschlands, dort, wo vor 25 Jahren die Menschen unter dem Motto "Wir sind das Volk" durch die Straßen zogen, ist mittlerweile eine besonders auffällige politische Apathie zu beobachten. Bei den letzten Landtagswahlen blieb durchschnittlich jeder zweite Wahlberechtige zuhause.

4. Häufig formulierte Gründe für die Abstinenz in der Wahlkabine: "Unsere Stimme zählt doch sowieso nicht!", "Die (Parteien) sind doch alle gleich!" oder "Die tun doch nichts für uns!"

5. Aktuelle Umfragen bestätigen: Noch nie waren die Deutschen so zufrieden. Demoskopen sehen darin einen Grund für Wahlmüdigkeit. Warum vom Sofa aufstehen, wenn man mit dem Stimmzettel gar nichts verändern will!

6. Wahlen werden zunehmend eine Veranstaltung für Konservativ-Etablierte und Liberal-Intellektuelle. Sie wissen ihre Interessen mit dem Stimmrecht durchzusetzen, bestätigen Demoskopen. Damit verlieren Wahlen ihre demokratische Funktion. Die alte Formel "One man, one vote" verliert an Bedeutung.

7. Die Sozialdemokratisierung der Parteienlandschaft gilt als zusätzliche Abstimmungsbremse. Wenn alle in die Mitte streben, verschwimmen die programmatischen Profile. Die Sozialdemokraten leiden übrigens am meisten unter diesem Trend, der ihren Namen trägt.

8. Arbeiter neigen eher dazu, den Wahltermin entweder zu verpassen oder absichtlich verstreichen zu lassen. Als staatsbürgerlich besonders wertvoll gelten Beamte. Sie sehen in der Stimmabgabe eine Bürgerpflicht.

9. Die geringe Wahlbeteiligung in Deutschland nimmt seit den 90er Jahren Tempo auf. So sehr, dass im internationalen Vergleich die Gruppe der Nichtwähler hierzulande am schnellsten wächst.

10. Früher waren die Nichtwähler eine kaum wahrzunehmende Minderheit. Denn wählen gehen war mal richtig populär. Zwischen 1953 und bis zur deutschen Einheit lag die Beteiligungsquote in der alten Bundesrepublik bei durchschnittlich 85 Prozent. 1972 konnten die Parteien sogar 91 Prozent der Wahlberechtigen mobilisieren. Es war die Wahl Willy Brandts (SPD) zum Bundeskanzler.