1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Londoner Krawalle weiten sich aus

9. August 2011

Eine Welle der Gewalt trifft die britische Hauptstadt. Randalierer steckten Autos und Häuser in Brand. Auch aus Bristol, Birmingham und Liverpool werden Krawalle gemeldet. Premier Cameron verurteilte die Ausschreitungen.

https://p.dw.com/p/12DDz
Brennendes Gebäude in London (Foto: dapd)
Ganze Straßenzüge stehen in FlammenBild: dapd

Gewalt und Vandalismus drohen in London außer Kontrolle zu geraten. Den dritten Tag in Folge zogen brandschatzende Banden durch die Stadt und verwandelten ganze Straßenzüge in ein flammendes Inferno. Die Ausschreitungen griffen dabei auf weitere Stadtteile über, die anfangs nicht von den Randalen betroffen waren.

Brennendes Auto, davor Polizisten (Foto: dapd)
Auch die Polizei wird der Lage nicht HerrBild: dapd

Teilweise standen ganze Straßenzüge in Flammen, Polizei und Feuerwehr schienen überfordert. Die Randalierer, die die Krawalle in der Nacht zum Sonntag in Tottenham begonnen hatten, dringen in immer weitere Stadtteile vor. Erstmals kam es auch außerhalb der Hauptstadt zu Gewalt: Die Polizei in Birmingham berichtete von Plünderungen und zerstörten Geschäften. Am Dienstag (09.08.2011) wurden auch aus Liverpool und Bristol Krawalle gemeldet.

Cameron verurteilt Krawalle

Premierminister David Cameron (Foto: Tim Ireland/PA Wire)
Brach seinen Urlaub ab: Premier David CameronBild: picture alliance / empics

Premierminister David Cameron brach seinen Italien-Urlaub ab und berief eine Sondersitzung des Nationalen Sicherheitsrates ein. Am Mittag erklärte er in einer kurzen Ansprache, dass die Ausschreitungen im Land scharf zu verurteilen seien. Es habe Plünderungen gegeben, Raub, Gewalt gegen Polizisten und sogar gegen Feuerwehrleute, die Brände hätten löschen wollen, erklärte Cameron. Die Täter müssen mit Konsequenzen rechnen, sofern sie volljährig seien, sagte der Regierungschef weiter. "Wir stehen auf der Seite der Menschen, die sich an die Gesetze halten."

Für die nächste Nacht kündigte Cameron ein Polizeiaufgebot von 16.000 Beamten an. Dafür würden aus anderen Regionen Polizisten nach London kommen. Der amtierende Londoner Polizeichef Tim Godwin appelierte an die Bevölkerung, die Straßen nachts zu verlassen. Eltern sollten sich nach ihren Kindern erkundigen und sie nach Hause holen. Nach Medienberichten waren auch Gruppen gewalttätiger Kinder zwischen zehn und 14 Jahren unter den Randalierern. Die Polizei nahm allein in der Nacht zum Dienstag etwa 200 Personen fest, sagte ein Sprecher von Scotland Yard. Seit Beginn der Randale stieg die Zahl der Festnahmen damit auf 450. Einige von ihnen wurden bereits angeklagt.

Auslöser: Tödlicher Schusswechsel

Die Krawalle hatten in der Nacht zum Sonntag im Londoner Problemviertel Tottenham begonnen. Zwei Tage zuvor war dort der 29-jährige Mark Duggan von einem Polizisten erschossen worden. Unklar ist, ob der farbige Familienvater, der der Banden- und Drogenszene zugerechnet wird, das Feuer eröffnet hatte. Ergebnisse ballistischer Tests sollen am Dienstag veröffentlicht werden.

Der Mann hatte nach Darstellung der Polizei bei einer Kontrolle aus einem Taxi auf die Fahnder geschossen. Eine Kugel, die das Funkgerät eines Polizisten traf, stammte nach einer ersten Untersuchung aber offenbar aus einer Polizeiwaffe, wie britische Medien berichten. Mitglieder der Farbigen-Community werfen der Polizei Rassismus vor.

Randalierer aller Ethnien hatten daraufhin in Tottenham Büros, Wohnungen, Supermärkte, Polizeiautos und einen Doppeldecker-Bus in Brand gesetzt und Geschäfte ausgeplündert. Von einigen Häusern blieben nur die Grundmauern übrig. Familien wurden obdachlos, weil ihre Wohnungen ausbrannten.

Randalierer nur "Trittbrettfahrer"?

Polizist mit Schlagstock (Foto: dapd)
Polizisten gehen mit Härte gegen die Randalierer vorBild: dapd

"Das hat absolut nichts mit dem Tod von Mark Duggan zu tun", sagte Vize-Premier Nick Clegg. Die Gewalt sei "total unakzeptabel". Die Sachschäden an Gebäuden und öffentlichen Einrichtungen gehen mittlerweile in den mehrstelligen Millionenbereich.

Die Familie des getöteten Mannes distanzierte sich von der Gewalt. Das sei nicht im Sinne des 29-Jährigen, sagte dessen Bruder. Bei den Tätern handle es sich offenbar um "Trittbrettfahrer", erklärte Scotland Yard. Die Beamten seien schockiert über das Ausmaß der Gewaltbereitschaft. London ist in einem Jahr Austragungsort der Olympischen Spiele. Die Sicherheit ist eines der meistdebattierten Themen im Vorfeld der Spiele.

Die Jugendlichen bildeten laut Polizei über das Internet "kleine und mobile" Gruppen. Sie hätten sich mit Smartphones organisiert und seien sehr schnell von einem Ort zum nächsten weitergezogen, berichteten Beobachter. Die Polizei habe daher große Probleme gehabt, die Randalierer unter Kontrolle zu bekommen. Scotland Yard drohte Twitter-Usern, die über den Kurznachrichtendienst zu Gewalt aufrufen, hohe Strafen an.

Fußballspiele abgesagt

Als Konsequenz der anhaltenden Krawalle hat der englische Fußball-Verband das für Mittwoch geplante Freundschaftsspiel der Engländer gegen die Niederlande abgesagt. "Mit großem Bedauern" müsse die Partie im Londoner Wembley-Stadion abgesetzt werden, teilte der Verband am Dienstag mit. Die Unruhen seien so schwer, dass alle verfügbaren Polizeikräfte dort eingesetzt werden müssten. Zwei weitere Spiele des englischen Ligapokals wurden ebenfalls verschoben.

Autor: Frank Wörner (dpa, rtr, dapd)
Redaktion: Reinhard Kleber / Marion Linnenbrink