1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Mail aus Moskau

Erik Albrecht24. Oktober 2008

In der Rubrik "Mail aus..." berichten unsere Korrespondenten über skurril, lustige und nachdenklich machende Geschichten aus ihren Gastländern. Heute erreicht uns eine Mail aus Moskau von Erik Albrecht.

https://p.dw.com/p/Fg33
Kreml, Basilius-Kathedrale
Auch in Kreml-Nähe wird saniertBild: Maksim Nelioubin

Ziemlich genau fünf Jahre lebe ich jetzt schon in Moskau. Und so langsam sieht zumindest das Zentrum wieder so aus wie damals, als ich kam. Der Grund dafür ist ein enormer Bauboom – russischer Art. Statt wie in anderen Städten die letzten Baulücken mit modernen Glasfassaden zu stopfen, reißen Moskaus Immobilienhaie alte Gebäude komplett ab, um sie dann detailgetreu wiederaufzubauen, aber mit luxeriösem Innenleben

Beispiel: der Manege-Platz direkt gegenüber dem Kreml. Dort steht seit kurzem wieder das Hotel Moskau und sieht eigentlich von außen genau so aus wie in früheren Zeiten . Ursprünglich hatte das Stalin-Gebäude in den 30er Jahren als Prachthotel errichten lassen. Doch zu einer anständigen Sanierung hatten die Moskauer Stadtväter wohl keine Lust. 2004 kam dann der Abriss. Jetzt strahlt die Kopie wieder in auf Alt gemachtem neuem Glanz. Disneyland lässt grüßen.

Blick auf die Staatliche M.V. Lomonosov Universitaet Moskau (28.10.2006)
Die Erbauer wollen die Architektur des alten Hauses imitierenBild: picture-alliance/dpa

Ähnlich erging es der Wojentorg. Das preisgekrönte Jugenstilgebäude verschwand vor fünf Jahren von einem auf den anderen Tag aus dem Moskauer Stadtbild. Inzwischen ist auch dieses Gebäude wieder aufgebaut. Allerdings haben die Bauherren sich in diesem Fall nicht so viel Mühe gegeben, die Architektur des alten Hauses zu imitieren. Aber das ist mir eigentlich auch schon egal. Es wäre ohnehin nur eine billige Kopie aus Stahlbeton.

Doch das sind nur die großen Coups. An jeder Ecke finde ich eine Baustelle – häufig dort, wo vor kurzem noch ein altes Wohnhaus stand. Reichlich skurril: Die Bauschilder: Hier wird ein Gebäude aus dem 17. Jahrhundert errichtet", stand neulich an einem Rohbau aus Stahlbeton. Andere Luxusapartments werden als "Wohnungen in einem Haus mit reicher Geschichte verkauft" - Baujahr 2008 versteht sich.

Fast wäre das berühmte Bolschoi Theater auch dem Abrisswahn zum Opfer gefallen, so erzählt man. Doch da hat der Kreml die Moskauer Stadtregierung ausgebremst. Jetzt bleibt – trotz Sanierung – das Orginalteather erhalten, wie sich das gehört. Und man kann nur hoffen, dass es dann nicht doch noch eine böse Überraschung gibt, wenn die brachialen russischen Sanierer fertig sind

Viele Grüße,

Ihr Erik Albrecht