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Mehr Miese mit Obama

Andreas Leixnering19. November 2008

Barack Obama will den enormen Schuldenberg der USA erstmal vernachlässigen. Die Rettung der US-Wirtschaft durch Konjunkturpakete gehe vor. Deutsche Experten geben ihm Recht.

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Barack Obama vor US-Flagge (Quelle: AP)
"Change" verspricht Barack Obama. Gilt das auch für den laxen Umgang mit dem Staatshaushalt?Bild: AP

Es gebe einen Konsens, "dass wir uns im nächsten Jahr oder sogar im Jahr darauf keine Sorgen über das Defizit machen sollten". Kurzfristig sei wichtiger, eine Rezession zu verhindern. Klare Aussagen von Barack Obama am Sonntag (16.11.2008), gleich im ersten Interview nach seiner Wahl zum 44. US-Präsidenten.

Schwarzes Loch US-Haushalt

US-Schuldenuhr in der Nähe des Times Squares New York (Quelle: dpa)
Nicht genügend Ziffern: US-Schuldenuhr unweit des Times Squares in New YorkBild: picture-alliance / dpa

Dabei ist das Loch im Haushalt nach acht Jahren Bush rekordverdächtig: Im September 2008 erreichte es rund 455 Milliarden Dollar, das heißt 3,2 Prozent des Inlandsproduktes - laut Finanzminister Henry Paulson der - absolut betrachtet - höchste Stand aller Zeiten. Im Oktober gab die Schuldenuhr in New York ihren Geist auf: 10,2 Billionen Dollar schulden die USA ihren Gläubigern inzwischen - für die Darstellung der 14-stelligen Zahl fehlen der Uhr zwei Ziffern. Dazu kommt noch ein saftiges Außenhandelsdefizit der exportschwachen Nation.

Als die Republikaner 2001 an die Macht kamen, verzeichnete der Staatshaushalt noch ein Plus. Für die Demokraten tragen sie deshalb die Schuld an der Misere: durch Kriegsabenteuer in Afghanistan und Irak, Steuersenkungen für Reiche in den Jahren 2001 und 2003 sowie schlechtes Katastrophen-Management nach dem Hurrikan "Katrina". Dazu addieren sich jetzt die Kosten zur Eindämmung der Folgen der Hypothekenkrise. Satte 168 Milliarden Dollar hat die Regierung im Frühjahr zur Konjunktur-Belebung spendiert. Und auch das 700-Milliarden-Rettungspaket für die Geldhäuser nach der Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers wird sich teilweise im Staatsbudget niederschlagen.

Haushaltspolitik des "Weiter so"?

Barack Obama beim Wahlkampf in Florida (Quelle: dpa)
Teure Versprechen im Wahlkampf: Obama in FloridaBild: picture-alliance/ dpa

Der finanzpolitische Spielraum für einen neuen Präsidenten könnte also kleiner nicht sein. Aber das scheint Barack Obama nicht zu scheren. Bereits im Wahlkampf summierten sich die Kosten seine Wahlversprechen auf über zwei Billionen US-Dollar, wie das deutsche Magazin "Der Spiegel" berichtet. Dazu gehörten 1500 Milliarden innerhalb von zehn Jahren für die Reform der Gesundheitspolitik und rund 360 Milliarden für die angekündigte Steuerentlastung der Mittelkasse. Infolge der Finanzkrise legte er nach: Mit einem 150-Milliarden-Dollar-Paket will er die Wirtschaft ankurbeln und auch die bedenklich strauchelnde Autoindustrie soll nicht leer ausgehen.

Bei unabhängigen Beobachtern wie US Budget Watch und Tax Policy Center schrillen schon länger die Alarmglocken. Wegen der hohen Verschuldung und mangelnder Rücklagen werde Amerika abhängiger von seinen Gläubigern im Ausland, zum Beispiel China. Außerdem begünstige ein hohes Staatsdefizit die Inflation und mache kommende Generationen handlungsunfähig.

Deutsche Experten: Ohne Schulden keine Rettung

Professor Irwin Collier, vom John-F. Kennedy-Institut für Nordamerikastudien der Freien Universität Berlin
Professor Irwin Collier, vom John-F. Kennedy-Institut für Nordamerikastudien der Freien Universität BerlinBild: Irwin Collier

Handelt der frisch gekürte Hoffnungsträger also verantwortungslos? Ganz und gar nicht, findet Irwin Collier, US-Wirtschaftsexperte der Freien Universität Berlin. "Wir haben es hier mit 'Schlachtfeld-Medizin' zu tun. Und der Patient muss stabilisiert werden", so der Lehrbeauftragte des John F. Kennedy-Instituts. Vor allem die private Nachfrage müsse der Staat jetzt durch Investitionen fördern, ansonsten drohe ein Abrutschen der Gesamtwirtschaft, warnt der Amerikaner Collier. Und greift zu einem historischen Beispiel: Während der Großen Depression habe sich die US-Wirtschaftslage kurzfristig verbessert. Als Präsident Roosevelt darauf in den Jahren 1937/38 Steuern erhöhte und Ausgaben strich, um den Haushalt zu konsolidieren, habe man das mit einem erneuten Rutsch in die Rezession bezahlt.

Auch Stormy-Annika Mildner von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik sieht momentan keine Alternative für Barack Obama, als "mittelfristig" noch mehr Schulden zu machen, um das US-Wirtschaftswachstum zu beflügeln. Die Amerikaner verfolgten aber ohnehin ein pragmatisches Krisenmanagement, so die deutsche Politik- und Wirtschaftswissenschaftlerin: "Sie sind schneller dazu bereit, von einem angebots- auf einen nachfrageorientierten Pfad zu wechseln, auch wenn das zu Lasten des Haushalts geht." Und auch ohne die geplanten Investitionen Obamas würde das Staatsdefizit steigen: allein durch höhere Ausgaben für die Arbeislosenversicherung bei gleichzeitig sinkenden Steuereinnahmen infolge der Wirtschaftskrise.