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Politik

Alles ist möglich

14. September 2020

Die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen zeigen den Umbruch der deutschen Parteienlandschaft. Das 'Weiter-So' der traditionellen Volksparteien kann daher nur irritieren, meint DW-Redakteur Christoph Strack.

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Kanzlerin Angela Merkel und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, beide mit Mund-Nasen-Schutz, deuten mit der jeweils rechten Hand in die gleiche Richtung
Wo geht es lang 2021? Kann NRW-Ministerpräsident Armin Laschet Kanzlerin Angela Merkel beerben?Bild: picture-alliance/AP/M. Meissner

Es sind Rituale, welche die 24 Stunden nach einem Wahlsonntag in Deutschland stets prägen. Jeder zeigt sich da zufrieden und liest aus dem Wahlergebnis Trost, Hoffnung und Ermutigung für sich selbst und die eigene Partei heraus. So halten es nach der Kommunalwahl im einwohnerstärksten deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen auch die bislang größten Parteien, CDU und SPD. Und das ist irritierend.

Mittlerweile sind Wahlen in Deutschland stets Wegmarken. Im März 2017 war es ausgerechnet die Landtagswahl im kleinsten Flächenland, dem Saarland, die als erster Wahlsonntag dieses Jahres der CDU Schwung und Selbstvertrauen bis zur Bundestagswahl sechs Monate später gab. Und Nordrhein-Westfalen ist stets eine solche Wegmarke, ganz gleich, was dort gerade gewählt wird.

Nordrhein-Westfalen hat immer bundespolitische Bedeutung

Denn auch wenn es diesmal nur um die kommunalen Parlament, Bürgermeister und Landräte ging - Nordrhein-Westfalen hat immer bundespolitische Bedeutung. An Rhein und Ruhr leben knapp 18 Millionen Menschen. Allein die Zahl der gestern Wahlberechtigten liegt mit 14,1 Millionen deutlich über der Bevölkerung von Bayern und Baden-Württemberg, dem zweit- und drittgrößten Bundesland was die Einwohnerzahl angeht. Wer hier besteht, hat alle Chancen auf Bundesebene. Und wer hier deftig verliert, eben nicht. Als im Mai 2005 die damals bereits angeschlagene SPD nach 39 Jahren an der Macht die NRW-Landtagswahl verlor, entschied sich der sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder für die Vertrauensfrage und Neuwahlen des Bundestages.

Deutsche Welle Strack Christoph Portrait
DW-Hauptstadtkorrespondent Christoph StrackBild: DW/B. Geilert

Und nun, ein Jahr vor der (noch nicht genau terminierten) Bundestagswahl 2021? Die SPD, die vor 15 Jahren bereits angeschlagen war, taumelt inzwischen richtig und ist schon glücklich über ein Ergebnis, das zwar etwas besser ist als das Resultat der Europawahl 2019, das aber dennoch ernüchternd für sie bleibt. Die sozialdemokratische Prägung des Ruhrgebiets, des größten Ballungsraums in Westeuropa, die über Jahrzehnte gesetzt war, ist unwiederbringlich verloren. Das Arbeitermilieu, das SPD-Erfolge garantierte, ist demographisch wie ökonomisch Geschichte.

Nach den Zahlen vom Sonntag würde es auf Bundesebene kaum für Rot-Rot-Grün reichen. Ein solches Bündnis wäre dann wohl eher ein Grün-Rot-Rot und sähe die Sozialdemokraten als einen der kleineren Partner der dominierenden Grünen. Nirgends wird so deutlich wie in Nordrhein-Westfalen, dass die SPD letztlich nur noch die Erinnerung an eine Volkspartei verkörpert. Aber eben keine mehr ist.

Die CDU jubelt über ein schlechtes Ergebnis

Und die CDU? Ministerpräsident Armin Laschet bejubelt 34,3 Prozent im Landesdurchschnitt. Dabei ist dieses Ergebnis schlechter als jedes Kommunalwahlergebnis seiner Partei in der Geschichte Nordrhein-Westfalens. Klar, Laschet will noch was werden in diesem Jahr, CDU-Vorsitzender und auch Kanzlerkandidat der Union für 2021. So muss er zufrieden sein mit diesen Zahlen, die aber faktisch eine gelbe Karte für seine Landesregierung aus CDU und FDP sind.

Im übrigen: Für das Resultat der CDU waren vor allem ältere Wählerinnen und Wähler entscheidend. Das gleiche Problem hatte die SPD vor 20 Jahren bereits auch schon. Das zeigt: Beide Volksparteien sind bedroht. Die SPD inzwischen in Gänze, die CDU verliert aktuell den Anschluss bei jungen Wählern, in Universitäts- und Großstädten.

Nichts ist mehr sicher für 2021

Es wird spannend werden, ob die CDU bei Themen wie Infrastruktur, Bildungs- und Familienthemen, Frauenquote noch mal ruckelnd die Kurve kriegt. Die Stabilität und Zuwächse der Grünen, auch der überraschende Erfolg der fast noch studentischen VOLT-Partei in Städten wie Köln (4,98 Prozent) und Bonn (5,2 Prozent) stehen dagegen.

Wer auch immer CDU-Vorsitzender wird Ende des Jahres - nichts ist garantiert, wenn der Bonus von Kanzlerin Merkel mal weg ist. Denn das ist die Lehre der Kommunalwahlen an Rhein und Ruhr: Nichts ist sicher für das Wahljahr 2021. Das gilt erst recht für die ermüdeten sogenannten 'Volksparteien'.