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Politik

Neue Massenproteste im Fernen Osten Russlands

18. Juli 2020

Weit weg von Moskau braut sich für Präsident Wladimir Putin Ungemach zusammen. Die Menschen in Chabarowsk protestieren gegen die Festnahme ihres Gouverneurs Furgal. Sie mutmaßen, es könnte Rache des Kremls gewesen sein.

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Russland, Khabarovsk I Protest gegen die Verhaftung von Gouverneur Furgal
Bild: picture-alliance/dpa/D. Morgulis

In Chabarowsk im äußersten Osten Russlands gibt es seit Tagen immer wieder Anti-Kreml-Kundgebungen gegen die Verhaftung des Provinzgouverneurs Sergej Furgal. Zwischen 15.000 und 50.000 Menschen versammelten sich auch an diesem Samstag im Zentrum der 600.000-Einwohnerstadt und marschierten Richtung Rathaus. Offizielle Zahlen sind nicht bekannt. "Er ist unser Gouverneur! Und wir werden ihn verteidigen", skandierte die Menge.

Die Demonstranten forderten Furgals Freilassung sowie einen "fairen Prozess" vor Ort in Chabarowsk und nicht in Moskau. Ein Teil der Protestierenden ging noch weiter: "Wir werden nicht mehr an den Wahlen teilnehmen, wenn Putin ihn nicht freilässt." Andere sprachen von politischer Willkür, die in Russland herrsche.

Der prominente Kreml-Kritiker Alexej Nawalny solidarisierte sich mit den Demonstranten. "Eine ganze Stadt - Chabarowsk - weigert sich, Putins endlosen Lügen über die 'Gerechtigkeit' seiner Gerichte und die 'Ehrlichkeit' seiner Wahlen zu glauben", schrieb Nawalny auf der Online-Plattform Instagram. Ein weiterer Oppositionspolitiker, Dmitri Gudkow, forderte die Bürger Moskaus auf, Solidarität zu zeigen und ebenfalls auf die Straße zu gehen. "Moskau ist mit euch!", sagte er in einem an die Demonstranten in Chabarowsk gerichteten Video.

Russland, Khabarovsk I Protest gegen die Verhaftung von Gouverneur Furgal
"Gebt uns Furgal zurück" steht auf dem Protestplakat mit dem Konterfei des beliebten GouverneursBild: picture-alliance/dpa/D. Morgulis

Die Kundgebung war von den Behörden nicht genehmigt worden, die Polizei ließ die Demonstranten jedoch gewähren. Die zurückhaltende Reaktion der Sicherheitskräfte auf die Proteste ist ungewöhnlich. Üblicherweise greift die russische Polizei in solchen Fällen schnell und hart durch.

Den Machthabern in Moskau ein Dorn im Auge?

Der Provinzgouverneur war am 9. Juli von Mitarbeitern des Inlandsgeheimdienstes FSB abgeholt, in Untersuchungshaft genommen und nach Moskau gebracht worden. Furgal wird vorgeworfen, vor 15 Jahren mehrere Morde an Geschäftsleuten in Auftrag gegeben zu haben. Der Politiker der ultranationalistischen Partei LDPR von Wladimir Schirinowski weist die Vorwürfe zurück.

Russland, Khabarovsk I Protest gegen die Verhaftung von Gouverneur Furgal
Abertausende Menschen auf dem Weg zum Rathaus von ChabarowskBild: picture-alliance/dpa/D. Morgulis

Die Anhänger des Gouverneurs sehen dessen Verhaftung als politisch motiviert und als einen Versuch des Kremls, einen Gegner der Regierungspartei Einiges Russland von Präsident Putin abzusetzen. In Chabarowsk wird auch spekuliert, dass es sich um Rache aus Moskau für die Abstimmungsergebnisse bei der Verfassungsreform handeln könnte. Mehr als ein Drittel der Wähler in der Region Chabarowsk (37 Prozent) hatte gegen Putins Projekt gestimmt, deutlich mehr als im Landesdurchschnitt (21 Prozent).

Seit 2018 ist Furgal oberster Beamter der Region. Damals hatte er bei der Gouverneurswahl überraschend fast 70 Prozent der Stimmen geholt und den Kandidaten der Kremlpartei Einiges Russland besiegt.

qu/wa (dpa, afp)