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Sanktionen: Wie viel ist genug?

Nils Naumann30. April 2014

Die USA und die EU haben Sanktionen gegen Russland verhängt. Der Kreml ist sauer und droht mit Gegenmaßnahmen. Wie realistisch sind die Warnungen vor einer Sanktionsspirale?

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Straßensperre in Slowjansk (Foto: REUTERS/Marko Djurica)
Bild: Reuters

Welche Sanktionen wurden bisher verhängt?

Anfang März vereinbarten die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union einen dreistufigen Sanktionsplan gegen Russland. Als erste Maßnahme stoppte die EU die Gespräche mit Moskau über Visa-Erleichterungen und ein neues Grundlagenabkommen.

Die zweite Stufe der Sanktionen umfasst Einreiseverbote und das Einfrieren von Vermögenswerten bestimmter Personen in der EU. Im März setzte die EU zunächst 33 Menschen aus Russland und der Ukraine auf die Sanktionsliste. Die Betroffenen werden für die Eskalation auf der Krim verantwortlich gemacht. Die Halbinsel gehörte bis März der Ukraine an und wurde dann Russland angegliedert.

Am Montag (28.04.2014) beschlossen die EU-Botschafter, 15 weitere Personen mit Sanktionen zu belegen. Einer der Betroffenen ist der russische Vize-Ministerpräsident Dmitri Kosak. Er koordiniert die russische Regierungspolitik auf der Krim. Auch mehrere Anführer von prorussischen Separatisten-Gruppen in der Ostukraine wurden mit Sanktionen belegt. Inzwischen sind 48 Personen mit Sanktionen belegt.

Die dritte und vorerst letzte Eskalationsstufe der Sanktionen wurde bisher nicht erreicht. Sie soll verhängt werden, wenn Russland die Lage in der Ukraine aus EU-Sicht weiter destabilisiert. Für diesen Fall hat die EU wirtschaftliche Strafmaßnahmen angekündigt. Wie genau diese Maßnahmen aussehen könnten, ist bisher unklar. Die EU-Kommission arbeitet derzeit an einer gemeinsamen Position für die 28 Mitgliedsstaaten.

Die USA haben Visa-Beschränkungen und Kontosperrungen gegen eine ganze Reihe von Personen im Umfeld der russischen Regierung verhängt. Am Montag (28.04.2014) fügten sie dieser Liste sieben weitere Personen hinzu, darunter den Chef des Ölkonzerns Rosneft, Igor Setschin. Auf der Liste finden sich auch Politiker und Militärangehörige, die für die Krim-Krise und die Destabilisierung der Ostukraine verantwortlich gemacht werden.

US-Präsident Obama (Foto: Rainer Jensen/dpa)
Obama: Harte Linie gegenüber MoskauBild: picture-alliance/dpa

Gegen die St. Petersburger Bank Rossija wurden von den USA ebenfalls Maßnahmen beschlossen. Dazu kommen 17 Firmen, die laut US-Regierung Verbindungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin haben.

Zusätzlich gibt es Beschränkungen bei Exporten von Hochtechnologie-Produkten, wenn diese vom russischen Militär verwendet werden können. Zusätzliche Sanktionen könnten Schlüsselbranchen der russischen Wirtschaft treffen, falls Russland in der Ukraine weiter militärisch intervenieren sollte.

Wie hat Russland auf die Sanktionen reagiert?

Spöttisch bis verärgert. Zunächst bezeichneten einige der mit Sanktionen belegten Personen es als "Ehre", auf der Liste zu stehen. Inzwischen aber droht Moskau mit Gegenmaßnahmen. "Ehrlich gesagt, sie fangen an, uns mit ihren Sanktionen auf die Nerven zu gehen", sagte der ebenfalls betroffene stellvertretende Regierungschef Dmitri Rogosin am Dienstag. "Und sie verstehen nicht einmal, dass die Sanktionen zum Bumerang werden."

Auch Kreml-Chef Wladimir Putin warnte vor negativen Folgen für die wirtschaftlichen Aktivitäten westlicher Energiekonzerne in Russland: "Wenn dies weitergeht, werden wir natürlich darüber nachdenken müssen, wie (ausländische Firmen, Anm. d. Red) in der Russischen Föderation arbeiten, insbesondere in Schlüsselindustrien wie dem Energiesektor."

Ukrainische Sicherheitskräfte und prorussische Separatisten in Lugansk (Foto: REUTERS/Vasily Fedosenko)
In Lugansk haben Separatisten Regierungsgebäude gestürmt - ohne Wiederstand der ukrainischen SicherheitskräfteBild: Reuters

Der russische Öl-Konzern Rosneft kooperiert mit mehreren westlichen Energieunternehmen wie der US-Firma ExxonMobil, Statoil aus Norwegen oder dem italienischen Ölkonzern Eni. Auch der deutsche Energiekonzern E.ON hat sein Russland-Geschäft in den vergangenen Jahren ausgebaut. Insgesamt hat der größte deutsche Versorger seit 2007 dort rund sechs Milliarden Euro investiert, vor allem in neue Kraftwerke.

Wie weh tun die Sanktionen Russland?

Die Auswirkungen der eigentlichen Sanktionen halten sich in Grenzen. Die Aussetzung der Gespräche über Visaerleichterungen und ein neues Grundlagenabkommen seitens der EU war eher symbolisch. Kontensperrungen und Einreiseverbote betreffen nur einen relativ kleinen Personenkreis. Die Betroffenen dürften ihre Gelder frühzeitig in Sicherheit gebracht haben.

Indirekt, sagt Susan Stewart, Osteuropa-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik, würden die Sanktionen aber durchaus weh tun. "Die Kapitalflucht hat sich erhöht, viele Investoren zweifeln, ob sie noch nach Russland gehen sollen, der Rubel ist gefallen." All das sei eine Folge der Unsicherheit, die durch die Krise und die Sanktionen entstanden ist. Das hat Konsequenzen für die russische Wirtschaft. Der Internationale Währungsfond IWF senkte seine Wachstumsprognose für Russland für 2014 bereits deutlich von 1,3 Prozent auf 0,2 Prozent.

Dr. Susan Stewart, Stiftung Wissenschaft und Politik Berlin
Susan Stewart: Zeichen setzenBild: DW

Wie groß ist die Gefahr einer Sanktionsspirale?

Relativ groß. Gernot Erler, Russland-Beauftragter der Bundesregierung, rechnet im Fall von weiteren Strafmaßnahmen des Westens "auch mit Gegen-Sanktionen". Dann stelle sich die Frage, "ob die Spirale der wechselseitigen Maßnahmen überhaupt noch kontrollierbar ist", sagte Erler. "Das wäre dann tatsächlich die Rückkehr des Kalten Kriegs."

Auch Susan Stewart hält russische Gegen-Sanktionen für "sehr wahrscheinlich". Trotzdem plädiert Stewart für ein starkes Zeichen gegenüber dem Kreml. Harte Sanktionen, glaubt Stewart, könnten Moskau zum Einlenken bewegen. "Wenn man dagegen bei relativ schwachen Sanktionen bleibt, obwohl Russland die Krim annektiert hat und die Ostukraine destabilisiert, dann wird Russland weiter gehen." Mittelfristig, so Stewart, könnten dann auch Staaten wie Moldau oder Georgien bedroht sein.