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Schöne, bunte Scheinwelt

Darius Cierpialkowski6. Juni 2006

Der Fernsehzuschauer hat es in Russland leicht. Von morgens bis abends kann er frei wählen aus einer bunten Medienwelt, in der allerdings einiges fehlt: Der graue russische Alltag und die politische Wirklichkeit.

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Darius Cierpialkowski Leiter Studio Moskau DW

Auf dem Jahreskongress des Weltzeitungsverbandes in Moskau zeichnete Russlands Präsident Putin ein ideales Bild der russischen Medienlandschaft. In Russland herrsche Pressefreiheit, so der Kreml-Chef. Schließlich sei das russische Mediengesetz eines der liberalsten in der Welt. Dem Vorwurf, die Massenmedien stünden unter der Kontrolle des Staates, begegnete der Präsident mit Medienmathematik. Heute gebe es in Russland 53 000 Publikationen, die man, selbst wenn man dies wolle, nicht kontrollieren könne, dozierte Putin.

Ein scheinbar überzeugendes Argument, allein die Realität spricht dagegen. Kaum eine russische Zeitung ist heute wirtschaftlich unabhängig. Der Druck auf die Redakteure ist enorm. Gerade die politische Berichterstattung ist immer noch prekär. Kaum ein Journalist traut sich die Wahrheit zu schreiben. Ehrliche Meinung könnte schnell den Job kosten.

Von Moral und Ethik keine Spur

Geschrieben wird, was ins Weltbild des Geldgebers passt. Bestellte Artikel sind keine Seltenheit. Vielfach geht es sogar ganz ohne Druck und Einschüchterung, die Schere im Kopf funktioniert. Was nicht sein darf, wird einfach ausgelassen. Von den massiven Protesten vor der Rede Putins auf dem Jahreskongress des Weltzeitungsverbandes erfuhren die russischen Fernsehzuschauer übrigens nichts. Schließlich schreibt das russische Mediengesetz nicht vor, dass die russischen Kanäle über alles berichten müssen.

Selbst außerhalb der Politik-Berichterstattung ist es um Moral und Ethik in den Medien schlecht bestellt. Als die Deutsche Welle über einen St. Petersburger Juwelier berichten wollte, kam dessen Frage prompt: Was muss ich dafür zahlen? Viele Fernsehsender und Zeitungen werden oft als Werbeagenturen missbraucht. Das gilt gerade für landesweite Fernsehanstalten. Sie stehen seit Jahren unter der Kontrolle des Kreml, staatlicher Konzerne und der Regionalfürsten. Die meisten Sender und Zeitungen sind zu Werbeträgern des Staates mutiert, zum Sprachrohr der Kremlführung verkümmert. Von Medien, die etwa dem staatlichen Energiekonzern Gazprom gehören, ist keine Kremlkritische Berichterstattung zu erwarten.

Das Internet: Eine Gefahr für den Staat?

Die meisten Zuschauer und Leser in Russland wissen das und weichen auf andere Infoquellen aus, wie etwa das Internet. Nur hier ist ein halbwegs unabhängiger, objektiver Journalismus zu erwarten. Doch das Internet steckt in Russland noch in den Kinderschuhen. Die Verbreitung beschränkt sich auf die großen Städte, gerade mal 13 Prozent aller Russen benutzen das Internet. Mehr noch, der Inlandsgeheimdienst, FSB sieht im Internet eine Gefahr für den Staat. Er hat Zugriff auf alle übermittelten Informationen. Die Kontrolle der Massenmedien nimmt jeden Tag zu und damit der Einfluss des Kreml. So gesehen, funktioniert das russische Mediengesetz tatsächlich ideal.