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Politik

Schlechte Stimmung vor Kurden-Demo

17. März 2017

Rund 20.000 Kurden wollen am Samstag in Frankfurt protestieren. Angesichts der aufgeheizten politischen Lage in der Türkei sind die Gemüter gereizt. Dazu trägt auch das deutsche Verbot von Bildern des PKK-Chefs bei.

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Alewiten und Kurden demonstrieren in Köln gegen Erdogan
Öcalan-Fahnen sind in Frankfurt verboten. Diese Bilder stammen von einer Kurden-Demo in Köln Ende 2016Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Meissner

Betonsperren gegen LKW-Anschläge sowie Wasserwerfer und gepanzerte Fahrzeuge gegen Ausschreitungen. Bei der Frankfurter Polizei ist man auf alles vorbereitet. Man wisse um die politische Lage und die damit einhergehende Brisanz, unterstreicht ein Sprecher im Interview mit der Deutschen Welle.

Angemeldet hat die Demonstration in Frankfurt Ayten Kaplan vom Verein "Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland" (Nav-Dem). Dieser Verein steht laut Verfassungsschutz der verbotenen "Kurdischen Arbeiterpartei" PKK nahe. Das Motto der Demonstration: "Nein zur Diktatur - Ja zu Demokratie und Freiheit".

Damit stellt sich der größte kurdische Dachverband in Deutschland klar gegen die vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan propagierte Verfassungsänderung. Doch Ayten Kaplan von der Nav-Dem ist derzeit vor allem erzürnt über die deutsche Regierung und das erst vor einer Woche erlassene Verbot von Öcalan-Bildern und Symbolen der Kurdenmiliz YPG. "Wir sehen das Verbot als ein Geschenk der deutschen Regierung an die Erdogan-Regierung", so Ayten Kaplan.

Der Anführer der PKK Abdullah Öcalan sitzt seit 1999 in der Türkei in Haft. Plakate und Fahnen mit Öcalans Konterfei sind bei Kurden-Demonstrationen keine Seltenheit, und auch jetzt in Frankfurt rechnen Polizei und Veranstalter damit, dass einige Protestierende solches Material mitbringen und zeigen werden.

"Verbot der kurdischen Identität"

Deutschland Kurden demo Düsseldorf
Auch dieser Kopfschmuck ist ab jetzt untersagt: Eine Kurdin demonstriert im Dezember 2015 in DüsseldorfBild: picture alliance/dpa/C. Seidel

In einer Pressemitteilung des Vereins wird man noch deutlicher: "Für uns kommt das Verbot der Symbole der kurdischen Befreiungsbewegung einem Verbot der kurdischen Identität gleich", heißt es. So weit würde der Politologe Ismail Küpeli von der Ruhr-Universität in Bochum nicht gehen. "Die Symbole stehen natürlich nicht per se für eine kurdische Identität, sondern für eine politische Richtung innerhalb der kurdischen Bevölkerung." Trotzdem wiege das nun vom Bundesinnenministerium erweiterte Verbot relativ schwer, so der Experte: "Öcalan-Bilder wurden oft als Ersatzbilder genutzt, da die Symbole der PKK nicht gezeigt werden dürfen."

Die Kurdische Gemeinde in Deutschland ist zwar an der Veranstaltung in Frankfurt nicht beteiligt, bezieht aber trotzdem klar Stellung zum Verbot: "Es ist vollkommen kontraproduktiv und kann die Stimmung in Frankfurt noch mehr aufheizen", so der stellvertretende Vorsitzende Mehmet Tanriverdi im Gespräch mit der DW.

Wie die Frankfurter Polizei konkret vorgehen werde, sollten Demonstranten verbotene Symbole zeigen, werde man im Einzelfall entscheiden, so der Sprecher der Polizei. Man sei aber nicht daran interessiert, die Lage durch ein Eingreifen eskalieren zu lassen.

Kurden-Konflikt wird auch in Deutschland ausgetragen

Von den knapp 800.000 in Deutschland lebenden Kurden stammen rund 500.000 aus der Türkei. Die starke Polarisierung zwischen nationalistischen Erdogan-Anhängern und kurdischen Türken heizt die Stimmung derzeit auch in der Bundesrepublik besonders auf. "Seit Beendigung des Friedensprozesses in der Türkei ist die Lage auch in Deutschland schlimmer geworden", sagt Politikwissenschaftler Küpeli von der Ruhr-Universität in Bochum. Zum einen hätten Demonstrationen von beiden Konfliktseiten - den Kurden und den nationalistischen Türken - zugenommen. Zum anderen sei ein Anstieg der Gewalt festzustellen, sowohl gegen Personen als auch gegen Einrichtungen der jeweiligen Konfliktparteien. 

"Der Konflikt ist nicht etwas, was nur in der fernen Türkei stattfindet", stellt Küpeli fest. Die Stimmung innerhalb der türkischen Gemeinde in Deutschland sei stets ein klares Spiegelbild der Verhältnisse innerhalb der Türkei.

Verzicht auf Türkeireisen

Die Zustände sind für Kurden derzeit äußerst schlecht, weiß auch Mürvet Öztürk zu berichten. Die hessische Landtagsabgeordnete kommt gerade von einer Delegationsreise aus der Türkei zurück: "Die Repressionen gegen Kurden sind noch einmal stark angestiegen." Sie könne es sehr gut verstehen, dass die Kurden in Deutschland auf die Straße gingen, so Öztürk: "So eine einschüchternde Stimmung habe ich noch nie erlebt."

Türkei Demirtas und Yuksekdag HDP Vorsitzende in Istanbul
Sie sitzen in türkischen Gefängnissen: Die kurdischen HDP-Politiker Selahattin Demirtas und Figen YuksekdagBild: Reuters/M. Sezer

Für Mehmet Tanriverdi von der Kurdischen Gemeinde in Deutschland ist das einer der Gründe, warum er schon seit fast zwei Jahren nicht mehr in die Türkei reist - und das obwohl er einen deutschen Pass besitzt und keinen türkischen. "Das tue ich mir nicht an. Wir wissen von Fällen, bei denen sogar Deutsche in Istanbul festgehalten wurden."

Kurden, die türkische Staatsangehörige seien, bekämen noch mehr Schwierigkeiten, so Tanriverdi: "Fast täglich bekommen wir Anrufe von Betroffenen." Hinzu kommen Drohungen gegen die Mitglieder des Verbands sowie gegen Redner, die bei Veranstaltungen der Kurdischen Gemeinde auftreten: "Durch den Wahlkampf zur Verfassungsänderung ist das noch einmal angestiegen."

Ayten Kaplan von der Nav-Dem sieht die Bundesregierung klar in der Verantwortung, zu handeln. Nicht nur gegen Erdogan und seine umstrittenen Maßnahmen: "Die deutsche Regierung muss mit allen kurdischen Organisationen in einen Dialog treten." Dass die Bundesregierung bei diesem Dialog bisher vor allem stark auf die Kurdische Gemeinde in Deutschland setzt, will Kaplan nicht akzeptieren: "Diese Organisation vertritt nicht die gesamten Kurden in Deutschland, sie haben keine ausreichende Basis." Man könne nicht eine Seite komplett aus dem Gespräch ausschließen, so Kaplan.