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Schnelles Geld mit der Maskennot

9. März 2021

Zwei konservative Bundestagsabgeordnete treten aus ihren Parteien aus. Wegen unsauberer Geschäfte rund um Corona-Atemmasken. Für die Parteien CDU und CSU kommt die Affäre zur Unzeit.

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Deutschland Ministerpräsident Ramelow besucht Breckle
Bild: picture-alliance/dpa/B. Schackow

Mitten in der Corona-Pandemie erlebt Deutschland einen handfesten politischen Skandal, der eng verknüpft ist mit dem verzweifelten Kampf der Politik gegen das Virus. Und dieser Skandal kann vor allem für die konservativen Parteien von CDU und CSU unangenehme Folgen haben. Am nächsten Wochenende stehen in zwei Bundesländern, in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz, Landtagswahlen an. Vor allem für die CDU kommt die Affäre um die beiden Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein (CSU) und Nikolas Löbel (CDU) deshalb zur Unzeit.

Beide Politiker sollen Provisionen in sechsstelliger Höhe kassiert haben, nachdem sie der Bundesregierung ihnen bekannte Hersteller von Atemschutzmasken empfohlen haben. Oder Geschäfte zwischen verschiedenen Firmen rund um die Maskenbeschaffung einfädelten.

Besonders brisant: Zu Beginn der Pandemie vor gut einem Jahr gingen die Preise für die Masken, die heiß begehrt waren, kurzfristig massiv in die Höhe. In dieser Zeit ließ sich schnelles Geld mit der Not machen. Gegen beide Politiker wird strafrechtlich ermittelt.

Einer geht, der andere bleibt

Der CDU-Politiker Löbel aus Mannheim trat jetzt aus seiner Partei aus und legte auch sein Bundestagsmandat nieder. Ein vollständiger Rückzug aus der Politik also, und gegenüber der Zeitung "Welt" räumte Löbel Fehler ein: "Als Bundestagsabgeordneter hätte ich gerade in der besonderen Pandemie-Situation auch in meiner unternehmerischen Tätigkeit sensibler handeln müssen", teilte er mit. Nüßlein will sein Bundestagsmandat erst einmal behalten, was viele seiner Parteikollegen erzürnt. Seinen Austritt aus der CSU nahm der Generalsekretär der bayrischen Schwesterpartei der CDU, Markus Blume mit Erleichterung zur Kenntnis. Blume sagte im ARD-Fernsehen: "Dieser Schritt war unausweichlich, auch, um Schaden von der Partei abzuwenden." 

Georg Nüßlein von der CSU auf dem weg zu seinem Bundestagsbüro, das gerade durchsucht wird.
Sein Mandat will er behalten, aus seiner Partei ist er ausgetreten: Georg NüßleinBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Vorwürfe von den Grünen

Die Opposition will sich mit dem Rückzug der beiden konservativen Politiker aber nicht zufrieden geben. Für den Vorsitzenden der Grünen, für Robert Habeck, hat die Affäre auch mit der langen Regierungszeit der Konservativen zu tun, die mit Angela Merkel als Regierungschefin schon über 15 Jahre an der Macht sind. Und in der Corona-Krise, vor allem im letzten Jahr, als zu Beginn der Pandemie Masken knapp waren, war CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn Adressat für viele Firmen, die Hilfe anboten. Der Draht zum konservativen Parteifreund an der Spitze des Ministeriums war natürlich für konservative Politiker enger als der zu Vertretern anderer Parteien. Habeck sieht aber auch ein grundlegendes Problem gerade bei den deutschen Konservativen: "Zweitens gibt es einfach eine besondere große Nähe zu wirtschaftlichen Tätigkeiten und ein mangelndes Unrechts-Bewusstsein, dass Geldflüsse möglicherweise nicht korrekt sind."

Das Bild zeigt den Abgeordneten Nikolas Löbel aus Mannheim am 25.10. 2019 im Deutschen Bundestag.
250.000 Euro kassiert, jetzt der komplette Rückzug aus der Politik: Nikolas LöbelBild: Jörg Carstensen/dpa/picture alliance

Tatsächlich erinnert die Masken-Affäre unter anderem an das unglückliche Agieren des CDU-Abgeordneten Philipp Amthor, der spätestens ab Mai 2019 für das US-amerikanische IT-Unternehmen Augustus Intelligence tätig war, für das er Lobbyarbeit unter anderem bei CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier betrieb.

Der umtriebige, heute gerade mal 29 Jahre alte Politiker gab damals an, kein Gehalt erhalten zu haben, musste aber nach und nach einräumen, doch  2800 Aktienoptionen im Wert von bis zu 250.000 Dollar des Unternehmens zu halten. Er ließ sich auch teure Reisen finanzieren. Nachdem die Vorwürfe publik wurden, verzichtete Amthor auf eine zunächst geplante Kandidatur für den CDU-Vorsitz in Mecklenburg-Vorpommern. Allerdings wurde er vergangenes Wochenende mit großer Mehrheit auf Platz 1 der Landesliste für die Bundestagswahl gewählt. Die Masken-Affäre ist also kein Einzelfall.

Ein neues Transparenzregister

Im aktuellen Fall der Masken-Affäre legte dann auch der Koalitionspartner der Konservativen in Berlin, die SPD, mit neuen Forderungen nach. SPD-Parteichef Norbert Walter-Borjans sagte: "Allen Demokraten muss daran gelegen sein, dass Raffgier und Vetternwirtschaft in unseren Parlamenten keine Chance haben." Immerhin: Ein Transparenzregister, auch Lobbyregister genannt, soll künftig mehr Licht ins Dunkel der Interessenvertretung bringen. Darin sind sich SPD, CDU und CSU nun im Grundsatz einig, nachdem um ein solches Register lange gerungen wurde.

Straßenszene aus Köln zu Beginn der Pandemie im vergangenen Jahr: Am 27.4.2020 auf dem Hauptbahnhof der Domstadt
Vor einem Jahr noch teure Mangelware, gehören Atemschutzmasken längst zum Alltagsbild auch in DeutschlandBild: Christoph Hardt/Geisler-Fotopress/picture-alliance

In Zukunft sollen Lobbyisten ihren Namen im Register eintragen und Angaben zu ihrem Arbeits- oder Auftraggeber machen. Und zwar auch diejenigen, die Einfluss auf die Regierung und die Ministerien nehmen wollen. Das hatte in einem früheren, schwächeren Entwurf noch gefehlt.

FDP will Sonderermittler in der Affäre 

Aber auch damit ist etwa die FDP nicht zufrieden. Für Parteichef Christian Lindner muss eine unabhängige Person die Affäre um die beiden konservativen Politiker aufklären. Lindner sagte in der ARD: "Dass das alles mit rechten Dingen zugegangen ist, sollte ein Sonderermittler, also eine ehemalige Richterin oder ein Richter, hinten den Kulissen prüfen. Mit Akteneinsicht, und dann erst uns und dann die Öffentlichkeit informieren." 

Allein Löbel soll für die Vermittlung von Maskengeschäften Provisionen von rund 250 000 Euro kassiert haben. Für die Anti-Korruptions-Organisation "Transparency International" ist das Grund für die Forderung, das bestimmte Formen des Lobbyismus gar nicht mehr erlaubt sei sollten. So sagte der Vorsitzende der Organisation, Hartmut Bäumer, der Funke-Mediengruppe: "Die Geschäftsordnung des Bundestags müsste ergänzt werden und bestimmte Formen des Lobbyismus, wie bei Nüßlein und Löbel, ausdrücklich sanktionieren."

Gegenwind vor den Landtagswahlen

Die Konservativen müssen jetzt bei den beiden wichtigen Landtagswahlen am Wochenende mit weiteren Stimmenverlusten rechnen. Das eher schlechte Erscheinungsbild der Regierung in der Pandemie, der schleppende Start der Impfkampagne etwa, hatte zuletzt schon dazu geführt, dass die beiden Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann aus Baden-Württemberg (Grüne) und Malu Dreyer (SPD) in Rheinland-Pfalz in den Umfragen weit vor ihren konservativen Konkurrenten liegen.