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Schwarze Porsche Cayenne gehören Russen

Birgit Johannismeier19. September 2008

Die Fokus-Europa-Korrespondenten berichten in der Rubrik "Mail aus" über kuriose, lustige oder ärgerliche Erfahrungen, die sie in ihren Ländern erleben. An diesem Freitag kommt die Mail von Birgit Johannsmeier aus Riga.

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Strand von Jurmala (12.Mai 2007/Stefanie Maack)
Am Strand von Jurmala ist Birgit Johannsmeier am liebstenBild: EUCC-Deutschland

"Rasch ans Meer und eine Brise salzige Luft um die Nase wehen lassen... in Riga für mich kein Problem. Letzten Freitag bin ich zusammen mit einer lettischen Freundin ins Auto gehüpft und nach knapp 20 Minuten waren wir schon da. In Jurmala. Auf die Wellen schauen und schwatzen - bei einem Bier und einer Portion Pommes. Meine Freundin bestellte – und wir warteten.

Fünf, zehn, fünfzehn Minuten. Nichts. Hast du etwa auf Lettisch bestellt? fragte ich sie. Klar doch, antwortete meine Freundin. Wir sind doch in Lettland. Ein wenig entnervt ging ich an die Theke und erkundigte mich nach unserer Bestellung. Auf Russisch. Jetzt verstand der Kellner. So was passiert mir nicht zum ersten Mal. In Lettland ist jeder Dritte russischer Herkunft.

Kindergarten in Jurmala (EPA PHOTO)
Russische und lettische Kinder lernen nicht zusammenBild: EPA PHOTO / AFI / ELMARS RUDZITIS

Die meisten, die ich kenne, kamen im Sozialismus an die Ostsee. Weil es in Riga Arbeit oder eine größere Wohnung gab. Heute hören sie nicht nur ihre eigenen Radioprogramme: russische Kinder gehen in russische Schulen, lernen dort zwar lettisch, aber meiden Kontakt. Lettische Kinder lernen in der lettischen Schule nebenan.

Die lettischen Mädchen ziehen anschließend ihre Volkstanzröckchen an, die Russischen Teenager tanzen Ballett. Nur selten, beim Eishockey zum Beispiel oder beim Basketball, da kommen sie zusammen. In den großen Plattenbausiedlungen, wo sie alle nebeneinander leben, bleiben Letten und Russen unter sich. Sie haben ihre eigenen Theater, Bars und Restaurants – und jede Menge Vorurteile.

Ein lettischer Polizist zum Beispiel hat mir verraten, woran man die Nationalität eines Porsche-Cayenne Fahrers erkenne: Der schwarze Stadtjeep gehöre eindeutig einem Russen, im silbernen sitze immer ein Lette. Deshalb halte er grundsätzlich die Schwarzen an – nur soviel zur Vorbildrolle der Polizei.

Strand mit Meer
Sogar Russen aus Moskau verbringen ihren Urlaub in JurmalaBild: AP

Eins steht allerdings fest: Geld für teure Autos, Schmuck, Klamotten und Eigenheime haben sowohl neureiche Letten, als auch neureiche Russen mehr als genug. Denn am Wirtschaftsboom in Riga hatten vor allem die Pfiffigen teil. Oder die mit den guten Beziehungen. Egal welcher Nationalität.

Ihre prächtigen Villen stehen übrigens in Jurmala. Dort, wo ich so gerne am Strand spazieren gehe. Und dieses kleine Schmuckstück mit seinen endlosen Sandstränden ist nicht nur bei mir, sondern gerade bei den Russen so beliebt. Im Winter stiefeln ganze Familien, Männer und Frauen, alt und jung, sogar mit Stöckelschuhen oder Minirock über die zugefrorene Ostsee. Wegen dieser Russen wollen jetzt tatsächlich immer weniger Letten dorthin. Sie verzichten lieber und weichen an unattraktivere Küstenabschnitte im Norden Rigas aus.

Mir persönlich gefällt es, dass sogar Russen aus Moskau ihren Urlaub in Jurmala verbringen. Nicht nur, weil ich besser russisch als lettisch sprechen kann."

Mit herzlichen Grüßen

Ihre Birgit Johannsmeier