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Syriza unter Druck

Jannis Papadimitriou, Athen2. September 2015

Griechenlands zurückgetretener Premier Tsipras muss um seine Wiederwahl bangen. Das liegt nicht zuletzt an der neuen Partei "Volkseinheit" seines Ex-Ministers Lafazanis. Aus Athen Jannis Papadimitriou.

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Panagiotis Lafazanis im Parlament (Foto: REUTERS/Christian Hartmann)
Bild: Reuters/C. Hartmann

Kaum hatte Alexis Tsipras der Kreditvereinbarung mit den Gläubigern Griechenlands zugestimmt, da verließen 25 Abgeordnete seine Linkspartei Syriza und gründeten ihre eigene Gruppierung im Parlament. Vorsitzender der neuen Partei "Volkseinheit" (LAE) ist der Altkommunist Panagiotis Lafazanis (Artikelbild). Sie ist drittstärkste Fraktion und will sich bei der Wahl am 20. September endgültig als einflussreicher Akteur in der Athener Politik etablieren.

"Wir wollen nicht nur drittstärkste Partei werden, wir sehen uns vor allem als lautstarke, schlagende Kraft gegen die Sparpolitik", erklärte LAE-Führungspolitiker Kostas Isychos im Gespräch mit der DW. Anknüpfen wolle seine Partei an das Referendum vom 5. Juli, bei dem sich 61 Prozent der Griechen gegen die Sparvorschläge der Geldgeber ausgesprochen hatten. "Damals stimmten überraschend viele Menschen mit nein, und nun wird unser starkes Abschneiden bei der Parlamentswahl ebenfalls für eine große Überraschung sorgen", ist Isychos überzeugt.

Nicht jeder in Athen teilt seinen Optimismus. Die radikalen Linken werden mit Sicherheit ins Parlament kommen, aber nicht als drittstärkste Kraft, glaubt Politikwissenschaftler Levteris Koussoulis. Jedenfalls könne die "Volkseinheit" viele Wähler ansprechen, die Sparauflagen ablehnen und Tsipras programmatische Beliebigkeit vorwerfen. Umfragen zeigen kein eindeutiges Bild: Die Linksplattform Iskra sieht die neue Partei bereits bei zehn Prozent, laut einer Erhebung des TV-Senders Action24 käme sie auf vier Prozent. Demoskopen geben zu bedenken, es sei noch zu früh, um das Potenzial der radikal-linken Gruppierung zu erkennen, da sie erst vor wenigen Wochen gegründet wurde.

Alexis Tsipras und Panagiotis Lafazanis in Moskau (April 2015) (Foto: Yekaterina Shtukina/Russian government s press service/TASS)
Da waren sie noch Freunde: Alexis Tsipras und Panagiotis Lafazanis im April in MoskauBild: imago/ITAR-TASS

Am Montag erklärte Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou ihre Unterstützung für LAE. Mit dabei ist vermutlich auch der 92-jährige Manolis Glezos, einst eine Syriza-Führungsfigur. Kostas Isychos erwartet noch mehr Zuspruch, insbesondere von Syriza-Abweichlern, die im Parlament gegen die jüngsten Sparauflagen votierten oder sich der Stimme enthielten. In den nächsten Tagen werden auch sie die Reihen der neuen Partei stärken, vermutet Isychos.

Ein "neuer Weg" für Griechenland?

Vehement plädiert die "Volkseinheit" für den Bruch mit EU und IWF sowie für eine Rückkehr zur Drachme. Parteichef Lafazanis erklärte am Mittwoch in einem TV-Interview, sowohl er als auch Tsipras hätten in den vergangenen Jahren den Bruch mit den Gläubigern gewollt und sich davon einen Neustart für Griechenland versprochen. Doch Tsipras habe sich als Regierungschef im letzten Moment anders entschieden und ausgerechnet die Sparauflagen unterzeichnet, die er im Wahlkampf verteufelte. Tsipras wiederum sieht sein Einlenken als gerechtfertigt. Man habe ihm die Pistole auf die Brust gesetzt und Griechenland in die Falle gelockt. Da habe er keine andere Wahl gehabt als dieser Falle zu entkommen und weiterzukämpfen, erklärte er neulich auf einer Wahlkampfveranstaltung.

"Die Spaltung von Syriza war unvermeidbar", meint Politikwissenschaftler Levteris Koussoulis. Und er fügt hinzu: "Syriza war ein Bündnis zweier verschiedener Parteien, die lange Zeit anscheinend dasselbe Ziel verfolgten, heute aber nicht mehr unter einem Dach auskommen. Das ist auch gut so, damit die radikalen Linken, also die LAE-Politiker, ihr wahres Gesicht zeigen und sich offen für eine Rückkehr zur Drachme, sowie für ein quasi-kommunistisches System aussprechen."

Programmatische Aussagen will Parteichef Lafazanis erst in den nächsten Tagen liefern. Nur soviel will LAE-Führungspolitiker Kostas Isychos derzeit verraten: Am wichtigsten sei ihm die wirtschaftliche Selbstständigkeit Griechenlands. Seine Partei setze auf Landwirtschaft, Tourismus, neue Technologien und erneuerbare Energien. Zudem wolle die "Volkseinheit" einen Großteil der griechischen Schulden abschreiben und die Architektur der Eurozone insgesamt infrage stellen. Die Übernahme 14 griechischer Regionalflughäfen durch das Frankfurter Fraport-Konsortium mache Griechenland zu einem Protektorat, protestiert Isychos. Seine Begründung: "Allein die Eröffnung des neuen Suez-Kanals wird das Handelsvolumen zwischen Griechenland und Ägypten verfünffachen. Den Nutzen davon hat der deutsche Staat, wenn er unsere Flughäfen und Häfen, also praktisch das Eingangstor für den Warenverkehr nach Europa, kontrolliert."

Seitenhiebe in Richtung Berlin

Verbale Attacken gegen Berlin gehören anscheinend zum Standard-Repertoire der LAE-Politiker im Wahlkampf. Immer wieder bezeichnet Parteichef Lafazanis die neue Kreditvereinbarung als "deutsches Sozialgefängnis", aus dem es keinen Ausbruch gäbe, falls Griechenland im Euro bleibt. Ob diese Aussage nicht etwas übertrieben war? "Das glaube ich nicht", erklärt Kostas Isychos. Und er fügt hinzu: "Wir haben nichts gegen das deutsche Volk, ganz im Gegenteil. Doch wir kritisieren das Beharren auf finanzpolitischer Disziplin und auch die Tatsache, dass jede anderslautende Meinung mit Drohungen und dem Recht des Stärkeren sanktioniert wird."

Drachme kontra Euro Symbolbild (Foto: REUTERS/Dado Ruvic)
Die neuen Linken wollen die Drachme wieder einführenBild: Reuters/D. Ruvic

Politikwissenschaftler Levteris Kossoulis will dieses Argument nicht gelten lassen: "Diese Menschen können ohne Feind einfach nicht existieren. Sie brauchen den äußeren Feind, um ihre eigene Identität definieren zu können."