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Türkisch-kurdischer Friedensprozess

Thomas Seibert3. Dezember 2014

Mit der Vorlage eines Rahmenplans durch den inhaftierten kurdischen Rebellenchef Abdullah Öcalan gehen die Friedensverhandlungen zwischen dem türkischen Staat und den Kurden in eine neue Phase.

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PKK-Fahne mit dem Bildnis von Abdullah Öcalan (Foto: LOUISA GOULIAMAKI/AFP/Getty Images)
Der inhaftierte PKK-Chef Abdullah Öcalan hat einen neuen Friedensplan vorgeschlagenBild: AFP

Innerhalb von vier bis fünf Monaten könnte es einen Friedensschluss zur Beendigung des seit 30 Jahren andauernden Konflikts zwischen der Türkei und den Rebellen von der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) geben. Diesen Zeithorizont nannte der inhaftierte PKK-Chef Abdullah Öcalan am vergangenen Samstag beim Besuch einer Kurdendelegation in seiner Zelle auf der Gefängnisinsel Imrali bei Istanbul. Die Kurdenpartei HDP veröffentlichte anschließend Grundzüge von Öcalans Rahmenplan, der unter anderem Amnestieregelungen für PKK-Kämpfer, Gespräche über Verfassungsreformen und schließlich eine endgültige Entwaffnung der PKK vorsieht.

Mit dem Besuch auf Imrali nahm der Friedensprozess nach einer Unterbrechung durch die schweren Kurdenunruhen vom Oktober, die sich gegen die Syrien-Politik Ankaras wandten, wieder an Fahrt auf. Beide Seiten bekennen sich weiter zu ihrer Bereitschaft, Frieden zu schließen nach Jahrzehnten des Krieges mit mehr als 40.000 Toten. Seit 2012 akzeptiert der türkische Staat den Rebellenchef Öcalan als Gesprächspartner und damit indirekt als obersten Chef der Kurden.

Pro-kurdische Demonstration in Istanbul (Foto: OZAN KOSE/AFP/Getty Images)
Kurden in der Türkei protestieren gegen die Syrien-Politik AnkarasBild: Ozan Kose/AFP/Getty Images

Der Preis des Friedens

Doch es gibt auch nach der Vorlage von Öcalans neuem Rahmenplan erhebliche Probleme. Die bisher unbeantwortete Kernfrage lautet, mit welchen politischen Zugeständnissen der Türkei an die Kurden ein endgültiger Gewaltverzicht der PKK erreicht werden kann. Auf Öcalans Befehl hält die PKK seit 2013 zwar eine Waffenruhe ein, doch diese war in den vergangenen Wochen im kurdischen Südostanatolien zum Teil recht brüchig. Nach wie vor behält sich die PKK als Druckmittel die Möglichkeit vor, zum bewaffneten Kampf zurückzukehren.

Der von Öcalan jetzt gennante Zeitrahmen, verbunden mit der Warnung vor einem "Chaos" im Falle eines Misserfolgs, lenkt nun den Blick auf die Regierung in Ankara. Wie wird sie reagieren? Die Kurden verlangen unter anderem eine Neufassung des bisher stark türkisch-nationalistisch geprägten Staatsbürger-Begriffes in der Verfassung , sowie einen Ausbau der lokalen Selbstbestimmung. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu und seine Regierung haben bisher jedoch nicht erkennen lassen, auf welchen Feldern sie der PKK entgegenkommen wollen.

Bei einer Demo wird eine Flagge mit Öcalans Foto hochgehalten (Foto: AFP PHOTO / STRINGER/AFP/Getty Images)
Auf Geheiß Öcalans haben sich die bewaffneten PKK-Kämpfer aus der Türkei zurückgezogenBild: STRINGER/AFP/Getty Images

Parlamentswahlen im Blick

Nach Ansicht von Veysel Ayhan, Direktor der Denkfabrik IMPR in Ankara, liegt darin einer der größten Schwachpunkte des Friedensprozesses. "Die Regierung hat bisher kein Lösungsmodell vorgelegt", sagte Ayhan der Deutschen Welle. Weder bei der Staatsbürgertum-Definition noch bei Themen wie dem kurdischsprachigen Schulunterricht oder der Forderung der Kurden nach größerer Autonomie der lokalen Verwaltungen zeige die Regierung eine Richtung auf.

Die Zeit, um die Position der Regierung zu konkretisieren, wird knapp. Spätestens im Juni kommenden Jahres stehen Parlamentswahlen an, die sowohl für Premierminister Davutoglus Regierungspartei AKP als auch für die kurdische HDP wichtig werden. Die beiden Parteien sind zudem Hauptrivalen um die Wählerstimmen im Kurdengebiet. Kompromisse mitten im Wahlkampf zu schließen, könnte daher schwierig werden.

Wichtige Fragen des Friedensprozesses, wie die nach einer Abmilderung der Anti-Terrorgesetze, einer Neuordnung der Verwaltung zugunsten von - teils kurdisch beherrschten - Kommunen oder nach der Zulassung von muttersprachlichem Kurdisch-Unterricht in Grundschulen seien vor der Wahl nur schwer zu lösen, sagt der bekannte Meinungsforscher Tarhan Erdem vom Institut Konda. Ob sich Ankara in diesen Bereichen bewegen wird, sei offen: Die Regierung zögere, weil sie Stimmenverluste im nationalistischen Lager befürchte, sagte Erdem der Deutschen Welle.