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Titos Jagd auf seine Gegner

Frank Hofmann30. September 2014

Das sozialistische Jugoslawien verfolgte Dissidenten weltweit: in Kanada, Australien, Großbritannien, den USA. Wichtigstes Zielgebiet aber war die Bundesrepublik Deutschland.

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Gerademal 18 Monate vor der Tito-Direktive, die Regimegegner im Ausland zu verfolgen: Der jugoslawische Staatschef Tito zu Besuch bei Bundeskanzler Willy Brandt in Bonn.Bild: picture-alliance/dpa

Der Diktator soll außer sich vor Wut gewesen sein als er bemerkte, dass er herausgefordert worden war: Jugoslawiens sozialistischer Despot Josip Broz Tito und sein Vielvölkerstaat Jugoslawien waren in Frage gestellt worden von 19 jungen Männern, die für ein unabhängiges Kroatien kämpften. „Feniks-Gruppe“ nannten sie sich, wie „Phönix“, der aus der Asche emporkommen sollte. So theatralisch wie der oberste Genosse Tito, der gerne die Nähe zu schönen Schauspielerinnen aus dem Westen pflegte, waren auch die 19 größenwahnsinnigen Feniks-Männer. Sie kamen aus der Exilkroaten-Hochburg Australien nach Europa. Mit Waffen aus Österreich, bezahlt wohl von kroatischen Exilanten in der Bundesrepublik Deutschland zettelten die Nationalisten der Feniks-Gruppe im Juni 1972 in der bosnischen Kleinstadt Bugojno einen Aufstand gegen die sozialistischen Machthaber an. Im Herzen von Titos gut 20 Millionen Einwohner zählendem Vielvölkerstaat Jugoslawien. Die Truppe hatte Erfolg bei den einheimischen, nicht weniger nationalistischen, teilweise sogar rechtsextremen Kroaten. Diese wollten lieber einen unabhängigen kroatischen Staat als Titos Traum von „Brüderlichkeit und Einheit“ aller südslawischen Völker zu leben.

Mehrere tausend jugoslawische Sicherheitsleute mussten den Aufstand niederschlagen, sieben Soldaten wurden getötet. Am 20. Juni hatten die Feniks-Leute die österreichisch-jugoslawische Grenze übertreten. Schon vier Wochen später, am 21. Juli 1972, hat der Diktator mit seiner Unterschrift die Grundlage dafür gelegt, dass so etwas nie wieder vorkommen sollte: Eine Direktive für den Kampf gegen seine Gegner. In feinster Kommunisten-Sprache heißt es da, es sei ein „Spezialkrieg“ zu führen, der selbstverständlich auch auf die „inneren Kräfte in diesen Ländern“ ausgeweitet werden müsse, sprich: auf die Regimegegner in ihren Exil-Staaten. Die meisten waren katholische Kroaten, die das sozialistische Jugoslawien aus dem Exil ablehnten und immer noch ihrem eigenen Staat nachtrauerten, den sie für kurze Zeit während des Zweiten Weltkrieges mit Hilfe von Nazi-Deutschland ausrufen konnten.

Mord in Titos Namen – Geheime Killerkommandos in Deutschland
Bild: picture-alliance/dpa

Allerdings hatten viele der Auslandskroaten in der Zwischenzeit auch die Vorzüge von Freiheit, Demokratie und Rechtstaatlichkeit im amerikanischen Machtbereich des Kalten Krieges kennen gelernt. Die meisten Exilanten-Gruppen verfolgten ihre Ziele mit friedlichen Mitteln. Titos sozialistische Geheimdienstleute aber machten keine Unterschiede. Sie verfolgten die Dissidenten Jugoslawiens und zogen eine Blutspur durch die Bundesrepublik Deutschland. In ihrem gemeinsamen Dokumentarfilm „Mord in Titos Namen“ thematisieren die Deutsche Welle und der Bayerische Rundfunk diese unglaubliche Mordserie: Bis zum Fall der Berliner Mauer organisierten jugoslawische Agenten die Ermordung von mindestens 29 Regimegegnern. Die meisten Taten sind bis heute nicht aufgeklärt.

Nur im Fall des 1983 getöteten Exil-Kroaten Stjepan Djurekovic in einer Garage im bayerischen Wolfratshausen erging 2008 ein Urteil gegen einen Helfer. Der Exilkroate Krunoslav P. sitzt seitdem hinter Gittern. Um diesen Mord geht es jetzt auch im Verfahren gegen die beiden ehemaligen Geheimdienstleute Josip Perkovic und Zdravko Mustac vom 17. Oktober 2014 an in München. Sie sind angeklagt, den Mord an dem Dissidenten Djurekovic in die Wege geleitet zu haben.


Kroatien: späte Festnahme

Mord in Titos Namen – Geheime Killerkommandos in Deutschland – Stjepan Djurekovic
In Jugoslawien ein hochrangiger Funktionär in der Öl-Industrie – bis zu seiner Flucht nach Deutschland. Hier geriet Djurekovic ins Visier des jugoslawischen Geheimdienstes: Er wusste zuviel und hatte wohl auch für den deutschen Auslandsgeheimdienst BND gearbeitet.Bild: BR/DW