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"Ein Traum für einen Wagnersänger"

Hans Christoph von Bock
24. Juli 2018

Der polnische Bassbariton hat schon so einige Partien in deutschen Opern gemeistert - auch große Wagner-Rollen. In Bayreuth singt er dieses Jahr allerdings zum ersten und, wie er sagt, hoffentlich nicht zum letzten Mal.

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Tomasz Konieczny, Telramund 2018
Bild: DW/H.C. von Bock

Der 1972 in Łódź/Polen geborene Bariton hat bereits große Wagner-Partien wie Alberich und Wotan gesungen und tritt in den bevorstehenden Spielzeiten in München, Warschau, New York, Mailand und Madrid auf. Zunächst aber steht sein Bayreuth-Debüt an: Am Premierentag wird Tomasz Konieczny die Rolle des Telramund in Wagners Oper "Lohengrin" singen.

Deutsche Welle: Sie singen den Part des Telramund, der in der "Lohengrin"-Handlung nicht gerade ein Sympathieträger ist: Er ist schwach, manipulierbar und gescheitert. Wie kommen Sie mit der Rolle zurecht?

Tomasz Konieczny: Zumindest in dieser Inszenierung ist der Telramund anders. Ich hatte nie gedacht, dass dieser böse Mensch jetzt plötzlich poetisch wirken kann.

Was ist mit dem sprichwörtlichen Mythos Bayreuth? Ist da etwas dran?

Telramund ist zwar nicht meine Wunschpartie hier in Bayreuth, aber alles andere stimmt: der Dirigent, die Produktion und die Tatsache, dass es sich um eine Eröffnungspremiere handelt. Da muss man schon kompromissbereit sein.

Opernsänger Tomasz Konieczny singend als Jupiter in Strauss' Oper "Die Liebe der Danae" in Salzburg.
Wagner- und Straussliebhaber: Konieczny als Jupiter in Strauss' "Die Liebe der Danae" in Salzburg 2016Bild: picture alliance/APA/B. Gindl

Um in Bayreuth zu singen, muss man hier sehr viel Zeit verbringen und auf vieles verzichten. Ich musste drei Vorstellungen an der Scala in Mailand absagen. Wenn man aber erst einmal hier ist, dann wird man reichlich entschädigt. Gleich am ersten Tag stand ich auf der Bühne mit Bühnenbild. Ich war überrascht. Es ist einzigartig und akustisch wunderbar. Je weiter hinten man steht und singt, desto besser klingt die Stimme.

Für einen Wagnersänger ist es ein Traum, hier zu singen. Und wenn man die anderen Sänger in der Kantine trifft, fühlt man sich plötzlich wie in einem Ensemble oder wie auf einem Wagner-Gipfel. Man fühlt sich richtig aufgehoben. Ich wünsche mir noch viele Auftritte hier.

Sie haben das Bühnenbild erwähnt. Es stammt von Neo Rauch und ist überwiegend in Blau gehalten. Ist das Ihrer Meinung nach nur dekorativ oder steckt mehr dahinter?

In Deutschland ist man immer darauf fixiert, Wagner deuten zu müssen. Wir brauchen das nicht. Das beweisen die konzertanten Aufführungen. Die Menschen genießen sie, sie werden dort nicht gestört. Es kommen dann nur die Handlungen vor, die in der Musik sind. Ich selbst wäre nie auf die Idee gekommen, "Lohengrin" vorwiegend in blaue Töne zu setzen, aber die Farbe stimmt. Neo hat den richtigen Ton getroffen, wunderschön!

Und wie gefällt Ihnen die Zusammenarbeit mit dem Regisseur Yuval Sharon?

Erst einmal: Ich bin kein Freund politischer Inszenierungen von Wagner-Opern. Ich finde es begrenzt, wenn man Wagner und seine ganze Fantasie auf einen Aspekt reduziert, der bei ihm nicht der Wichtigste war. "Lohengrin", "Parsifal" oder "Der Ring des Nibelungen" sind Fantasiewelten.

Dieser junge amerikanische Regisseur hat das auch verstanden und ist mutig genug, das auch so zu zeigen. Ich finde, wir haben heute weltweit, und gerade auch in Deutschland, ein Riesenproblem mit dem Regietheater: Meistens versuchen Regisseure, sich etwas anderes auszudenken, etwas Skandalöses oder Politisches. Das braucht das Publikum nicht.

Porträtfoto von Opernsänger Tomasz Konieczny.
Tomasz Konieczny ist kein großer Freund des RegietheatersBild: picture alliance/AP Images

Neben Ihnen gibt auch Ihr Landsmann Piotr Beczała in der Rolle des Lohengrin sein Debüt in Bayreuth. Das ist fast ein polnisches Heimspiel...

Wir sind nicht die ersten Polen hier. Schon 1901 lud Cosima Wagner eine polnische Sängerin hierher ein, um als Brünnhilde aufzutreten. Piotr ist der erste polnische Tenor, der hier debütieren wird, und ich der erste polnische Bassbariton. Aber die nationale Herkunft spielt hier keine Rolle mehr. Piotr Beczała singt Rollen aus dem italienischen und französischen Fach. Er singt russisch und tschechisch. Lohengrin ist seine einzige Wagnerpartie. Deshalb kennen wir uns nicht besonders gut. Ich bin im Augenblick der einzige Pole, der schwerpunktmäßig das deutsche Repertoire singt. Ich bin verliebt in diese Musik von Wagner und Strauss. Ich möchte sie noch besser verstehen und es noch besser machen. Sie ist die Liebe meines Lebens.

Das Gespräch führte Hans Christoph von Bock.