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Politik

"100.000 Kinder in Aleppo in Gefahr"

26. September 2016

Das UN-Kinderhilfswerk Unicef hat die jüngsten schweren Angriffe auf die syrische Stadt Aleppo als "absoluten Tiefpunkt" beklagt - und mit den Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs verglichen.

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Ein Mann trägt ein verletztes Kind in Aleppo (Archivbild: Reuters/A. Ismail)
Bild: Reuters/A. Ismail

Im belagerten Ostteil von Aleppo sind nach Unicef-Schätzungen derzeit rund 100.000 Kinder in höchster Gefahr. Der Sprecher von Unicef Deutschland, Rudi Tarneden, forderte einen sofortigen Stopp der Luftangriffe auf die syrische Stadt. "Die Intensität und Rücksichtslosigkeit sind vergleichbar mit den Gräueltaten, die im Zweiten Weltkrieg verübt wurden", sagte er dem Hörfunksender NDR Info.

In Syrien gehe es um die Rettung eines Minimums an Menschlichkeit, betonte der Sprecher des UN-Kinderhilfswerkes: "Die Helfer, die in Syrien und in Aleppo tätig sind, tun ihr Möglichstes, sie unterstützen die Bevölkerung, aber sie werden nicht mehr sehr lange durchhalten können."

Nach einem Luftschlag am Sonntag begutachtet ein Einwohner Aleppos die Schäden
Nach einem Luftschlag am Sonntag begutachtet ein Einwohner Aleppos die SchädenBild: Reuters/A. Ismail

Eine von Russland und den USA vermittelte Waffenruhe war vor einer Woche nach nur wenigen Tagen zerbrochen - seitdem flammten die Kämpfe besonders in Aleppo wieder mit brutaler Gewalt auf. Die von Russland unterstützte syrische Armee will die gesamte Stadt zurückerobern. Der Osten Aleppos wird von den Aufständischen kontrolliert, der Westteil der Stadt von Regierungstruppen.

Die Bundesregierung appelierte an Russland, den Angriffen auf die Zivilbevölkerung ein Ende zu machen. "Wir erwarten von russischer Seite mit Blick auf eine Einstellung der Kampfhandlungen endlich Bewegung", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert n Berlin. Russland sei angesichts seiner substanziellen militärischen Unterstützung der syrischen Regierung in der Verantwortung: "Ohne Russlands Unterstützung wäre dieses Regime nicht in der Lage, seinen menschenverachtenden Krieg gegen die eigene Zivilbevölkerung in dem Maß fortzusetzen." Das Vorgehen der syrischen Regierung sei eine eklatante Verletzung des Völkerrechts, sagte Seibert weiter: "Was wir derzeit in Syrien erleben, ist Barbarei."

Kinder im von Rebellen gehaltenen Osten Aleppos beim Wasserholen
Kinder im von Rebellen gehaltenen Osten Aleppos beim Wasserholen (Archivbild)Bild: Reuters/A. Ismail

Der SPD-Außenpolitiker Niels Annen sagte im ZDF-"Morgenmagazin", ein Ende des Syrien-Konflikts könne nur auf politischem Weg gefunden werden: "Jede andere Lösung bedeutet, dass man möglicherweise einen Krieg mit Russland riskieren müsste, das kann keiner wollen."

Annen plädierte dafür, im Syrien-Konflikt den Kampf gegen die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) nicht aus den Augen zu verlieren. Dies sei "ein Gegner, vor dem alle Angst haben", die Miliz sei auch eine Bedrohung für Russland. Moskau müsse davon überzeugt werden, dass es auch in seinem Interesse sei, den IS gemeinsam zu bekämpfen. "Wir müssen, so schwer das fällt, mit Russland im Gespräch bleiben", sagte Annen.

Unterdessen erhielten vier weitere belagerte Städte erstmals seit fünf Monaten Hilfslieferungen. Fahrzeuge des Syrisch-Arabischen Roten Halbmondes hätten humanitäre Güter nach Madaya, Zabadani, Foua und Kafraya gebracht, teilte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz am Sonntagabend in Genf mit.  

Die Kämpfe in dem Bürgerkriegsland hätten sich weiter verschärft, hieß es. Während Aufständische die Orte Foua und Kafraya belagerten, schnürten Truppen des Diktators Baschar al-Assad die Orte Zabadani und Madaya ab. In den vier Orten harren laut UN rund 62.000 Menschen aus.

Außer Schuldzuweisungen brachte die Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrates wenig
Außer Schuldzuweisungen brachte die Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrates wenigBild: Reuters/A. Kelly

Im UN-Sicherheitsrat hatten sich Russland und die westlichen Staaten am Sonntag gegenseitig für die Eskalation der Gewalt verantwortlich gemacht. Bei einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats warf Frankreichs UN-Botschafter Francois Delattre der Regierung in Moskau vor, durch ihre Unterstützung für das Assad-Regime die Bemühungen um eine Waffenruhe zu unterlaufen. Die US-Botschafterin Samantha Power beschuldigte die russische Regierung der "Barbarei" bei ihren Angriffen auf die syrische Stadt Aleppo.

Russlands Botschafter Witali Tschurkin wies das zurück. Es sei derzeit fast unmöglich Frieden nach Syrien zu bringen, sagte Tschurkin und beschuldigte Washington "nicht ausreichend Einfluss auf die mit ihnen verbündeten Gruppen auszuüben" und damit seine Verpflichtungen für die Waffenruhe nicht zu erfüllen. 

Seit die Gewalt vor mehr als fünf Jahren ausbrach, starben nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mehr als 290.000 Menschen. Andere Schätzungen gehen von rund 400.000 Toten aus. Fast ein Drittel der Opfer sind demnach Zivilisten.

stu/rb (afp, dpa, epd, kna)