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Verlierer des Wandels

Monika Griebeler, Mae Sot8. Mai 2012

Der politische Wandel in Myanmar wird vom Westen honoriert, auch durch Entwicklungsprojekte. Flüchtlinge und Exilgruppen im thailändischen Grenzgebiet sind dagegen mit Kürzungen der Finanzhilfe konfrontiert.

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Brücke der Freundschaft an der Grenze von Thailand und Burma (Foto: DW)
Bild: DW

Lange galt es als ungeschriebene Regel: Der beste Ort, um als Birmane eine gute Krankenversorgung zu erhalten, ist Thailand. Genauer: die Mae Tao-Klinik direkt hinter der Grenze, am Rande der staubigen thailändischen Stadt Mae Sot. 1989 wurde die Klinik gegründet und hat sich seither ständig vergrößert. Heute ist sie eine recht chaotische Anordnung zahlreicher Gebäude - und zentraler Anlaufpunkt für Kranke aus dem Grenzgebiet, aber auch aus weiter entfernten Provinzen Myanmars, des früheren Birmas.

Ärztliche Versorgung in Thailand

Die Grenzgänger können sich auf dem Gelände des Krankenhauses sicher fühlen. Hier haben die Ärzte das Sagen - und nicht die Polizei oder die Einwanderungsbehörde. Viele der Patienten leiden an Malaria oder Durchfallerkrankungen. Doch es gibt auch Fälle wie den 19-Jährigen, dem eine Landmine beide Beine weg gesprengt hat. Oder den Mönch, der mit psychischen Problemen kämpft. Und die junge Mutter, die ihr Kind gegen Röteln impfen lässt, genauso wie die alte Frau mit der Sehschwäche.

Rund 150.000 Menschen behandeln die Ärzte der Klinik jedes Jahr - bislang kostenlos. "Das wird sich jetzt ändern", sagt Aung Myint, der als Arzt in der Mae Tao-Klinik arbeitet, im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Es hat hier eine gewisse Spendenmüdigkeit eingesetzt, deshalb gehen die Zuschüsse zurück." Die Mae Tao-Klinik könnte bald selbst zum Patient werden - zusammen mit zahlreichen anderen Exilorganisationen. Das, so vermuten einige hier, liegt auch an der veränderten politischen Situation in Myanmar, an der Öffnung des Landes.

In der thailändischen Mae Tao-Klinik an der Grenze zu Myanmar (Foto: DW)
In der thailändischen Mae Tao-Klinik an der Grenze zu MyanmarBild: DW

Grenzgebiete nicht mehr im Fokus

Solange das Militär noch im Land herrschte, investierten westliche Regierungen, Hilfsorganisationen und auch private Spender ihr Geld vor allem im Grenzgebiet. Infolge des politischen Tauwetters verlagert sich dieses Engagement nun ins Innere des Landes. So hat zum Beispiel die amerikanische Hilfsorganisation USAID ein Mikrofinanzierungsprojekt in Zentralmyanmar aufgelegt. Einige europäische Regierungen - darunter Norwegen und Dänemark - lassen große Teile ihrer finanziellen Unterstützung Hilfsorganisationen zukommen, die in der größten Stadt des Landes, Rangun, tätig sind. Einerseits sind das erfreuliche Nachrichten, denn Myanmar gehört zu den ärmsten Ländern Südostasiens. Langfristig könnten die Spenden zum erhofften Aufschwung beitragen.

Weniger Geld für Flüchtlingscamps

Doch das geht zum Teil auf Kosten der Flüchtlinge: Medienberichten zufolge investiert etwa das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) in diesem Jahr weniger in die Flüchtlingsarbeit in Thailand als im Vorjahr. Auch die Hilfsorganisation der Europäischen Kommission, ECHO, kürzt hier ihre Mittel von rund 22 Millionen Euro auf 19 Millionen Euro.

"Die Finanzierung für Flüchtlinge bleibt relativ stabil", sagt Mathias Eick von ECHO. Doch selbst im jüngsten Bericht der Organisation heißt es: "Solange sich Flüchtlinge aus Myanmar in Thailand aufhalten, wird es schwierig, sich komplett aus den Camps zurückzuziehen, dennoch will ECHO im Laufe der Zeit seine Finanzierung reduzieren." Derzeit leben noch immer rund 87.000 Flüchtlinge in den neun Camps entlang der birmanisch-thailändischen Grenze; hinzu kommen geschätzt mehrere hunderttausend unregistrierte Flüchtlinge.

"Schon eine kleine Krise"

"Die Regierungen haben uns lange Jahre unterstützt. Diese Hilfe für die Flüchtlinge aufrechtzuerhalten ist die Herausforderung, vor der wir jetzt stehen", sagt Duncan McArthur vom Thailändisch-Birmanischen Grenzkonsortium (TBBC). Die Organisation ist zuständig für die Flüchtlingscamps und verteilt auch monatliche Essensrationen an jeden Haushalt dort.

Karen-Flüchtlinge im thailändischen Grenzgebiet (Foto: AP)
Karen-Flüchtlinge im thailändischen GrenzgebietBild: AP

Bis vor ein paar Jahren deckten die TBBC-Rationen 2.102 Kilokalorien ab - etwas mehr als der tägliche Mindestbedarf an Energie laut UNHCR und World Food Bank. Seit 2010 liegt der Wert nur noch bei 1.900 Kilokalorien. "Einige Staaten haben ihre Zuschüsse bereits reduziert", erklärt McArthur. Gleichzeitig seien die Kosten gestiegen - die Rationen mussten gekürzt werden. "Wenn man alle Faktoren zusammennimmt, ist das schon eine kleine Krise", sagt er. Und für 2012 stehen noch weitere Kürzungen an.

Exil-Organisationen in Auflösung

Betroffen sind auch zahlreiche Exilorganisationen, allen voran die Medien, die sich weitgehend aus Spenden finanzieren. Im Februar erst musste der Nachrichtendienst "The Irrawaddy", ansässig im nordthailändischen Chiang Mai, aus Geldnot seine Print-Ausgabe einstellen. Gründer und Chefredakteur Aung Zaw erwartet, dass ihm in diesem Jahr nur 80 Prozent des letztjährigen Budgets zur Verfügung stehen. 20 Journalisten mussten bereits gehen.

Und das, obwohl die Exilmedien großen Zulauf haben, seit sie auch in Myanmar frei zugänglich sind: Inzwischen klicken monatlich fast sechs Millionen Zuschauer die Internetseite des "Irrawaddy" an - zuvor waren es meist um die 2,5 Millionen Nutzer.

Ein Ausweg scheint der Weg zurück nach Myanmar. Aye Chan Naing, der Chefredakteur des Exil-Senders "Democratic Voice of Burma" sagte der Zeitung "Financial Times": "Wenn sich die Dinge weiter so entwickeln, werden in ein, zwei Jahren die Spenden wegfallen und alle Dissidenten ins Land zurückgekehrt sein." Einige Organisationen hätten von ihren Geldgebern bereits die Warnung erhalten, dass dies das letzte Jahr finanzieller Zuschüsse sei.

Studio des Exilsender "Democratic Voice of Birma" in Chang Mai (Foto: DW)
Studio des Exilsender "Democratic Voice of Birma" in Chang MaiBild: DW

Ungelöstes Flüchtlingsproblem

"Für die Menschen im Grenzgebiet ist es momentan eine zwiespältige Situation", sagt Duncan McArthur vom TBBC: Auf der einen Seite sei so viel Hoffnung mit dem Wandel in ihrer Heimat verbunden - doch zugleich entziehe ihnen ebendieser Wandel den finanziellen Boden. Denn Thailand hat nie die UN-Flüchtlingskonvention unterschrieben. Wer im Camp lebt, darf es offiziell nicht verlassen, nicht arbeiten. Ein gewisser Grad an Abhängigkeit ist dabei fast zwangsläufig.

Zurück nach Hause trauen sich viele aber auch noch nicht. In einigen Provinzen kämpft weiterhin die Armee Myanmars gegen lokale Rebellentruppen, etwa im Kachin-Staat im Norden des Landes. Allein dieser Konflikt hat seit vergangenem Sommer wieder Hunderttausende Flüchtlinge aus Myanmar über die Grenzen getrieben.