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Wer braucht eine dritte Corona-Impfung?

10. Juli 2021

Die US-Gesundheitsbehörden halten die von BioNTech/Pfizer geplante Impfauffrischung noch für unnötig. Für wen macht ein solch zusätzlicher Booster möglicherweise Sinn?

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Arzt in Schutzkleidung
Eine dritte Coronaimpfung soll die Immunabwehr erneut anregen Bild: Robert Kneschke/Zoonar/picture alliance

Bevor Sie sich aufregen oder Sorgen machen: Bislang ist noch überhaupt nicht gesagt, dass alle mit BioNTech/Pfizer-Geimpften tatsächlich eine dritte Spritze brauchen.

Die beiden Pharma-Konzerne planen zwar vor dem Hintergrund der Delta-Variante die Entwicklung von Auffrischungsimpfungen. Wenn sich das Coronavirus durch die Mutationen allerdings nicht grundlegend in Struktur und Beschaffenheit verändert, brauchen möglicherweise nur Personen mit einem schwachen Immunsystem wie Ältere oder Patienten, die mittels Medikamenten ihr Immunsystem drosseln müssen, eine solche Impfauffrischung. So das Ergebnis einer US-Studie zur Langzeitwirkung von mRNA-Impfstoffen von Ende Juni.

Entsprechend zurückhaltend reagierten auch die US-Arzneimittelbehörde FDA und die US-Gesundheitsbehörde in einem gemeinsamen Statement auf die Mitteilung von Pfizer und BioNTech: Vollständig geimpfte Amerikaner benötigten nach derzeitigem Kenntnistand keine weitere Dosis.

Man sei aber auf die Verabreichung von Auffrischungsdosen vorbereitet, sollten wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass sie notwendig seien. Laut der Mitteilung beschäftigen sich die US-Gesundheitsbehörden mit dieser Frage, wollen sich dabei aber nicht ausschließlich auf Daten von Pharmafirmen verlassen.

Sinkende Schutzwirkung laut Hersteller

Pfizer und BioNTech gehen von einem Rückgang der Schutzwirkung der gemeinsamen Coronavirus-Vakzine nach einem halben Jahr aus. "Wie anhand der vom israelischen Gesundheitsministerium erhobenen Daten aus der praktischen Anwendung bereits deutlich wurde, sinkt die Schutzwirkung des Impfstoffs gegenüber Infektionen und symptomatischen Erkrankungen sechs Monate nach der zweiten Impfung", hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung der Unternehmen.

Israel Coronavirus Impfung mit BioNTech/Pfizer
Pfizer und BioNTech beziehen die meisten Daten aus Israel, wo sich auch die Delta-Variante durchgesetzt hatBild: Jack Guez/AFP/Getty Images

​​​​Auf Basis der bisher vorliegenden Daten sei es wahrscheinlich, "dass eine dritte Dosis innerhalb von sechs bis zwölf Monaten nach der vollständigen Impfung erforderlich sein wird". Gleichzeitig gehen die beiden Pharmakonzerne davon aus, dass eine dritte Dosis das höchste Schutzniveau gegenüber allen bisher getesteten Coronavirus-Varianten erhalte, also auch gegen die Delta-Variante, hieß es in der Mitteilung.

Was bewirkt die dritte "Booster-Impfung"?

Gewöhnlich wird der sogenannten Boostereffekt bei den Corona-Impfungen bereits durch die zweite Impfung ausgelöst: Findet erneut ein Kontakt mit dem gleichen Erreger statt - sei es durch die zweite Impfung oder auch durch eine Infektion - kommt es zu einer verstärkten und beschleunigten Antwort des Immunsystems.

Ausgelöst wird diese Reaktion durch die bei der ersten Begegnung gebildeten sogenannten Gedächtniszellen. Die Gedächtniszellen erkennen das Antigen wieder und können so viel schneller reagieren, um den Erreger zu zerstören. Deshalb ist  die zweite Impfung für alle besonders wichtig. Aus demselben Grund erhalten auch Genesene nur diese zweite Impfung, weil ihr Körper den Erreger schon kennt.

Wie funktioniert der Corona-Impfstoff?

Bei einigen Impfungen wie zum Beispiel gegen Masern reicht eine Impfung ein Leben lang. Andere Impfungen wie gegen Tetanus hingegen müssen alle zehn Jahre aufgefrischt werden.

Die aktuelle Diskussion zeigt, dass verlässliche Daten zur Langzeitwirkung von Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 bislang nur begrenzt vorliegen, weil die entsprechenden Langzeitdaten zwangsläufig noch fehlen und weil es offenkundig auch unterschiedliche Daten zu den jeweiligen Alters- und Risikogruppen gibt. Gerade bei Menschen mit einem ohnehin geschwächten Immunsystem wie etwa bei Älteren, fällt die Immunantwort zum Teil nicht so stark aus. Hier kann ein weiterer Booster sinnvoll sein.

Größere Gefahr durch ungleiche Impfstoffverteilung

Global gesehen kommt die Debatte über eine mögliche Impfauffrischung zur absoluten Unzeit. Während in vielen Industrienationen jeder Einwohner bis zum Spätsommer ein Impfangebot erhalten soll, haben viele ärmere Länder in Asien, aber auch in Afrika oder Lateinamerika aufgrund des knappen Impfstoffs noch gar nicht mit dem Impfen beginnen können.

Laut einer kürzlich in The Lancet veröffentlichten Studie haben sich die reichsten Länder der Welt, in denen knapp 16 Prozent der Weltbevölkerung lebt, etwa 70 Prozent der fünf aktuell führenden Impfstoffe gesichert. In armen Ländern seien laut WHO nur 0,2 Prozent aller Vakzine gegen den Corona-Erreger verabreicht worden. Auf dieser Datenlage könnten Massenimpfungen in diesen ärmeren Ländern laut The Economist frühestens 2024 beginnen.

Dabei geht es nicht nur um Fragen der Gerechtigkeit: Die Pandemie bleibt ein globales Problem. Wenn sich aufgrund fehlender Impfstoffe in ärmeren Ländern die Virusvarianten weiter so rasant ausbreiten und sich immer besser an den Menschen anpassen, könnte das mittelfristig auch für die reicheren Länder erneut zu einem ernsthaften Problem werden.

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund