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Wo sind die Baustellen im DFB-Team?

2. Juli 2021

Mit dem Achtelfinal-Aus bei der EURO 2020 ist die Ära von Bundestrainer Joachim Löw nach 15 Jahren zu Ende. Es übernimmt Hansi Flick. Wo muss der Neue den Hebel ansetzen?

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Fussball EURO 2020 | Achtelfinale England - Deutschland - Thomas Müller und Kai Havertz
Thomas Müller (l.) und Kai Havertz (r.) werden wohl auch unter Hansi Flick zentrale Bausteine der Nationalelf seinBild: Anke Waelischmiller/SvenSimon/picture alliance

Beim Personal:

Braucht die Nationalmannschaft nach dem Aus gegen England und dem Ende der Ära Löw nach zwei enttäuschenden Turnieren in Folge einen radikalen Umbruch? Steht überhaupt ausreichend junges Personal bereit, um die möglicherweise entstehenden Lücken zu füllen? Sehr wahrscheinlich wird der neue Bundestrainer Hansi Flick Talenten wie Jamal Musiala, Florian Wirtz oder Ridle Baku mehr und mehr Verantwortung geben. Auch Kai Havertz wird eine Säule des "neuen DFB-Teams" werden - Joshua Kimmich und Leon Goretzka sind wohl ebenfalls gesetzt. Toni Kroos hat seinen Rücktritt aus der Nationalelf ein paar Tage nach dem Aus erklärt. Was ist anderen Ü30-Spielern wie Ilkay Gündogan, Mats Hummels oder sogar Kapitän Manuel Neuer? Werden sie weiter aufgestellt, weil sie von selbst nicht zurücktreten? Oder wäre ein klarer Schnitt besser, auch wenn dabei dem einen oder anderen wehgetan werden muss? Da die WM in Katar bereits in 17 Monaten ansteht, darf man davon ausgehen, dass es vorher nicht zu einem vollständigen Umbau kommt - spätestens danach aber muss sich Flick von "alten Helden" verabschieden.

Bei der Spielphilosophie:

Was der deutschen Mannschaft vor allem fehlte - nicht nur bei der EM, sondern auch schon vorher in den vergangenen Monaten - war ein klares Konzept, wie man in der Offensive zum Erfolg kommen wollte. Zu selten ging das Spiel der Deutschen in die Tiefe, kaum mal - abgesehen vom guten Spiel gegen Portugal - kamen Situationen zustande, in denen ein schneller Stürmer in den Raum startete und eine Eins-gegen-Eins-Situation entstand. Stand der Gegner tief, lief das deutsche Spiel oft quer. Zwar bemühten sich Joshua Kimmich und Robin Gosens über die Außenseiten Druck zu machen und die Stürmer mit Flanken zu füttern.

EURO 2020 | Deutschland vs England
Seltener Vorstoß: Timo Werner (2.v.l.) vergab beim Spiel gegen England eine der wenigen deutschen ChancenBild: Carl Recine/REUTERS

Allerdings schafften sie es nur selten in die gefährliche Zone im Rücken der gegnerischen Verteidiger, um von dort den Ball scharf vor das Tor zu passen oder ihn Richtung Elfmeterpunkt zurückzulegen. Und hohe Flanken von der Seite oder aus dem Halbfeld finden beim derzeitigen DFB-Team in der Mitte meist keinen Abnehmer.

Im Angriff:

Das liegt auch daran, dass es in der deutschen Nationalmannschaft keinen echten Mittelstürmer mehr gibt. Einen klassischen, kopfballstarken Torjäger sucht man im DFB-Kader seit Langem vergeblich. In der Bundesliga gibt es solche Spieler zwar, sie heißen aber Robert Lewandowski, André Silva, Erling Haaland oder Wout Weghorst und spielen für andere Nationen. Die besten deutschen Torschützen der abgelaufenen Saison heißen Lars Stindl, Max Kruse und Thomas Müller. Alle drei bereits älteren Semesters und nicht aus der Kategorie "Sturmtank". Und da sich Flick keinen Mittelstürmer mit Gardemaß schnitzen kann, der in der Mitte hohe Flanken mit gefährlichen Kopfbällen verarbeitet oder mit dem Rücken zum Tor Bälle festmacht und ablegt, wird es wohl noch einige Zeit dauern, bis wieder ein "echter Neuner" im DFB-Dress aufläuft.

In der Defensive:

Besonderes Augenmerk muss der neue Bundestrainer auf seine Abwehrreihe legen und zwei Dinge entscheiden: Wer bildet die Innenverteidigung? Und: Soll Joshua Kimmich tatsächlich weiter als Außenverteidiger spielen? Die Antwort auf die zweite Frage ist einfach: Da Flick die Qualitäten Kimmichs im defensiven Mittelfeld schätzt und er ihn dort auch beim FC Bayern stets aufstellte, ist davon auszugehen, dass die DFB-Elf Ausschau nach einem neuen rechten Verteidiger halten muss. Lukas Klostermann wäre eine Alternative, Ridle Baku eine zweite. Auch Matthias Ginter könnte aus der Innenverteidigung nach außen rücken - gehobene internationale Klasse, geschweige denn Weltklasse sind aber alle drei (noch) nicht. Zumindest bei Baku besteht aber die Hoffnung, dass seine Entwicklung weiter steil nach oben geht. Möglicherweise könnte Flick die Dauer-Baustelle hinten rechts dann schließen. Allerdings wäre auch Baku eine Kompromisslösung à la Kimmich. Beim VfL Wolfsburg spielt der 23-Jährige in der Regel weiter vorne.

Deutschland Hamburg | Fussball Länderspiel | Deutschland v Niederlande
Haben sie noch eine Zukunft im DFB-Dress? Jonathan Tah (l.) und Niklas Süle (r.)Bild: Christina Pahnke/sampics/picture alliance

In der Mitte ist das Angebot an guten Innenverteidigern, die für den DFB spielberechtigt wären, ebenfalls begrenzt. Bei der EURO spielten Ginter, Mats Hummels und Antonio Rüdiger in der Innenverteidigung. Mats Hummels wird keine lange Zukunft im DFB-Team mehr haben. "Nachrücker" Niklas Süle und Jonathan Tah stagnierten zuletzt in ihrer Entwicklung. Jüngere Talente wie Robin Koch oder Nico Schlotterbeck haben noch keine große internationale Erfahrung und müssten erst herangeführt werden.

Beim Trainerstab:

Hier ist der DFB gut aufgestellt. Nachdem der früher etwas aufgepustete Betreuerstab nach der WM 2018 auf ein gesünderes und effektiveres Maß geschrumpft wurde, gibt es hier eigentlich keine offenen Baustellen. Dass die DFB-Elf nicht erfolgreich Fußball spielt, liegt nicht daran, dass die Videoanalyse oder das Fitness- und Torwarttraining mangelhaft wären. Ein paar Umbauten gibt es aber doch: Flick bringt vom FC Bayern Co-Trainer Danny Röhl mit, der neben Marcus Sorg zweiter Assistent wird. Dafür verliert er mit Andreas Köpke den langjährigen Torwarttrainer.