1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Zika-Virus: "Olympia nicht absagen"

Greta Hamann28. Mai 2016

In einem offenen Brief an die WHO fordern 150 Wissenschaftler und Ärzte, die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro zu verschieben - aus Angst vor dem Zika-Virus. Virologe Jonas Schmidt-Chanasit sieht kein großes Risiko.

https://p.dw.com/p/1IwQc
Brasilien Carioca Arenen im Barra Olympic Park in Rio de Janeiro (Foto: picture-alliance/dpa/R. Sette Camara)
Bild: picture-alliance/dpa/R. Sette Camara

Deutsche Welle: Der offene Brief wurde bereits von zahlreichen Wissenschaftlern unterschrieben. Werden Sie ihre Unterschrift ebenfalls darunter setzen?

Jonas Schmidt-Chanasit: Nein, den würden wir nicht unterschreiben. Man sieht ja auch, dass der Brief kaum von europäischen Wissenschaftlern unterschrieben wurde und - wenn man genau hinschaut - auch von keinen namhaften Virologen oder Zika-Virus-Experten, die sich mit der Materie auskennen. Das ist eine ganz bestimmte Gruppe von Wissenschaftlern, die aus dem epidemiologischen Schwerpunkt oder aus dem Management der Sportwissenschaften kommen. Der Brief steht auf keiner breiten wissenschaftlichen Basis.

Sie halten das Zika-Virus also nicht für so gefährlich, dass man die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro verschieben sollte?

Das ist eine sehr komplexe Situation. So einfach, dass man sagt, man verschiebt die Spiele und dann ist alles gelöst, ist es nicht. Das Zika-Virus kursiert auch in vielen anderen Ländern, in die Menschen reisen. Sicher werden die Olympischen Spiele dazu führen, dass mehr Infektionen importiert werden, insbesondere nach Europa. Das bestreitet auch niemand. Das wird aber nichts daran ändern, dass wir in Europa nie so einen Ausbruch erleben werden, wie ihn Brasilien erlebt hat - in der Vergangenheit. Das muss man jetzt schon ergänzen, denn die Fallzahlen gehen mittlerweile nach unten.

Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (Foto: BNI)
Jonas Schmidt-Chanasit vom Tropeninstitut in HamburgBild: BNI

Man muss zudem berücksichtigen, dass die Olympischen Spiele im brasilianischen Winter stattfinden, wenn es sehr wenige Mücken gibt. Außerdem würde Brasilien durch eine Verschiebung der Spiele massiv an Einnahmen verlieren. Einnahmen, die man beispielsweise nutzen kann, um Stechmücken zu bekämpfen.

Wurde in der Vergangenheit schon einmal aufgrund einer ähnlichen Großveranstaltung ein Virus weltweit verbreitet?

Man hat angenommen, dass die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien oder andere sportliche Großereignisse ein Grund gewesen sein könnten, dass das Zika-Virus sich schneller ausgebreitet hat. Das ist schon so. Das vermutet man auch stark für das Dengue-Virus, das eng mit dem Zika-Virus verwandt ist und quasi mit verschiedenen sportlichen Großereignissen um die Welt reist. Aber das müssen nicht nur diese Veranstaltungen sein, es können genauso saisonale Anlässe sein, wie Ferien in Europa etwa, wenn alle verreisen.

Aber man muss sich ja fragen, was ist die Konsequenz? Sie können nicht alle sportlichen Großereignisse absagen, das ist nicht zielführend. Stattdessen muss man eine Risikoeinschätzung vornehmen. Das hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gemacht, das hat das Europäische Zentrum für Seuchenkontrolle (ECDC) gemacht, das hat das deutsche Robert-Koch-Institut gemacht, und da ist keiner zu dem Schluss gekommen, dass die Olympischen Spiele abgesagt werden müssen.

Wenn man sich trotz der Nachrichten entscheidet, zu den Olympischen Spielen nach Brasilien zu reisen und sich mit dem Zika-Virus infiziert - wie gefährlich ist das für einen gesunden Menschen?

Eigentlich gar nicht. Das haben wir auch immer betont. 80 Prozent der Infizierten erkranken gar nicht, merken also nicht, dass sie sich infiziert haben. Bei denjenigen, die erkranken, ist es eine leichte Erkrankung, die eine gute Woche dauern kann und dann ist alles wieder gut. Gefährlich werden kann es bei Frauen, die während der Schwangerschaft krank werden und diese Infektion durchmachen. Bei einem geringen Prozentsatz der Ungeborenen kann es zu einer Mikrozephalie kommen.

Wenn man das alles zusammennimmt, dann ist es - das muss man so drastisch sagen - ein Randphänomen. Von fünf Millionen Infizierten sind 4,5 Millionen nicht betroffen. Die anderen haben dann sehr schwerwiegende Probleme - das darf man natürlich auch nicht verschweigen. Aber wenn man auf die nackten Zahlen schaut, ist es ein Randphänomen.

Prof. Dr. med. Jonas Schmidt-Chanasit ist Arzt und Virologe. Er leitet die Virologische Zentraldiagnostik am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNI) in Hamburg. Derzeit befindet er sich auf Forschungsreise in Südostasien, wo das Zika-Virus schon seit Jahren verbreitet ist.

Das Gespräch führte Greta Hamann.