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Zukunft der EU weiter unklar

16. Juni 2006

Der EU-Gipfel blieb weitgehend ohne konkrete Ergebnisse. Dabei sind Beschlüsse ein Jahr nach dem Nein zur europäischen Verfassung dringend nötig. Die finnische und dann deutsche Ratspräsidentschaft hat einiges zu tun.

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Das EU-Hauptquartier in BrüsselBild: AP

Die Europäische Union will bei künftigen Erweiterungsrunden die Bedenken der Bürger stärker beachten. Es gelte zu zeigen, "dass wir jetzt nicht einfach mit Vollgas fahren, ohne weiter auf die Konsequenzen Rücksicht zu nehmen", sagte der amtierende EU-Ratspräsident und österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel am Freitag (16.6.2006) zum Abschluss des zweitägigen EU-Gipfels in Brüssel. Bürgernähe sei auch bei der Diskussion über die Zukunft Europas wichtig, betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Durch den Brüsseler EU-Gipfel sahen sich Verfechter des Verfassungsvertrags ebenso bestätigt wie dessen Kritiker. Worauf sich die Staats- und Regierungschefs nach der einjährigen "Reflexionsphase" am Freitag verständigten, war für die einen Bestätigung, dass der Reformzug zwar langsam, aber stetig die Fahrt fortsetzen soll. Ohne konkrete Beschlüsse und kaum mehr als mit einer Absichtserklärung, bis Ende 2008 die für den Reformprozess erforderlichen Schritte zu unternehmen, erkannten die anderen schon fast einen Beweis, dass die Verfassung "tot" ist. Wer Recht behalten wird, ist aber noch längst nicht entschieden.

Signal der Handlungsfähigkeit

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel räumte ein, dass die Würfel für Europas Zukunft noch nicht gefallen sind: "Wir müssen uns da einfach noch ein bisschen gedulden. Das ist manchmal so im Leben." Dabei war allen Regierungschefs in Brüssel durchaus bewusst, dass die von ihnen vor einem Jahr verordnete Denkpause nicht ewig weitergehen kann, die sie sich nach dem Nein der Franzosen und Niederlande verordnet hatten. So sind Reformen allein schon aus institutionellen Gründen überfällig, von dem erhofften Signal der Handlungsfähigkeit ganz zu schweigen.

So hatten die Regierungen schon in Nizza im Dezember 2000 festgelegt, dass künftige EU-Kommissionen nicht mehr je Land einen Kommissar haben werden, nachdem die EU den 27. Mitgliedstaat aufgenommen hat. Diese Schwelle wird mit Bulgarien und Rumänien wahrscheinlich zum 1. Januar 2007 erreicht, spätestens jedoch Anfang 2008. Wie das 2009 antretende Kommissarskollegium verkleinert wird, muss also auf jeden Fall entschieden werden - wenn nicht auf Basis der Verfassung, dann anders. Ebenfalls 2009 wird ein neues Europaparlament gewählt, das seine Arbeit auf Basis neuer Regeln antreten soll.

Staatengemeinschaft soll weiter wachsen

Das Regelwerk der EU, dessen Ursprünge vor einem halben Jahrhundert auf eine Gemeinschaft der Sechs ausgelegt wurde, ist schon für 25 lange überstrapaziert. Dabei ist längst beschlossen, dass die europäische Staatenfamilie weiter wachsen wird, auch wenn es dafür noch keinen konkreten Zeitplan gibt. Mit Kroatien und der Türkei haben die Beitrittsverhandlungen bereits begonnen. Mazedonien ist offizieller Beitrittskandidat. Albanien hat ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU, was eine wichtige Etappe auf dem Weg zu einem möglichen späteren Beitritt ist. Mit Bosnien-Herzegowina wird darüber verhandelt. Mit Serbien sind diese Gespräche wegen mangelnder Zusammenarbeit mit dem Den Haager Jugoslawien-Tribunal zurzeit nur ausgesetzt. Mit Montenegro werden diese Verhandlungen nach Anerkennung als unabhängiger Staat fortgesetzt.

Viel Zeit zum Nachdenken haben die Regierungen nicht mehr. Denn ob die Verfassung noch eine Chance haben wird, entscheidet sich schneller als es manchen Politikern lieb ist. In Frankreich und den Niederlanden wird in knapp einem Jahr gewählt. Sollten sich die Kontrahenten in den Wahlkämpfen auf ein Ja oder Nein zur Verfassung festlegen, könnte zum Gipfel in einem Jahr möglicherweise schon das Aus der Reform feststehen. Aber nicht nur in Paris und Den Haag ist die Politik bereits jetzt gefragt. Die Ratifizierung der Verfassung steht auch in Ländern wie Großbritannien und Polen noch aus. Wie und wann das geschehen soll, ist unklar. Beide Länder müssen dazu innerhalb der nächsten zwölf Monate Farbe bekennen. Wenn es um Europas Zukunft geht, sind London und Warschau dafür allerdings nicht das überzeugendste Beispiel. (kap)