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Lebhafte Demokratie

Marcel Fürstenau20 de septiembre de 2016

Konkurrenz belebt das Geschäft. Was für die Wirtschaft gilt, trifft auch auf die Politik zu. Deshalb freut sich Marcel Fürstenau über das Ergebnis der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus.

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Imagen: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Sechs Parteien gehören dem Landesparlament der deutschen Hauptstadt nach der Wahl am Sonntag an. Keine einzige hat auch nur annähernd ein Viertel der Stimmen erhalten. Deshalb ist die Zeit der seit Jahrzehnten üblichen Zweier-Bündnisse nun auch in Berlin vorbei. Die Regierungsbildung wird also komplizierter, weil sich nun drei zusammenraufen müssen. Das kann, aber es muss kein Nachteil sein. Natürlich ist es auf den ersten Blick leichter, zu zweit politische Kompromisse zu schließen. Denn nichts anderes bedeutet es, zu sondieren, zu verhandeln und am Ende einen Koalitionsvertrag zu schließen.

Dass sich ein Trio ganz gut vertragen kann, dafür gibt es in deutschen Landen in jüngster Zeit eine Menge Anschauungsunterricht. In Thüringen regiert Rot-Rot-Grün unter Führung der Linken (!) schon seit zwei Jahren ohne größere Probleme. In Sachsen-Anhalt koalieren seit dem Frühjahr Christ-, Sozialdemokraten und Grüne. Und in Rheinland-Pfalz läuft es zwischen SPD, Grünen und Freien Demokraten allen Unkenrufen zum Trotz ziemlich rund. Und nun kommt in Berlin wohl Rot-Rot-Grün unter Vorsitz der SPD hinzu.

Der Drang in die politische Mitte mündete in eine Sackgasse

Wer politischen Wettbewerb als Ringen um die besten Ideen und Konzepte begreift, kann diese neue Flexibilität des wählenden Souveräns nur begrüßen. Gemessen an der neuen Vielfalt in den Parlamenten einerseits und der steigenden Wahlbeteiligung andererseits scheint die lange beklagte Politikverdrossenheit vorbei zu sein. Jedenfalls in dem Sinne, dass sich immer mehr desinteressiert von Politik und Parteien abwenden.

Marcel Fürstenau
Marcel FürstenauImagen: DW/S. Eichberg

Dass diese Trendwende in erster Linie der großen Unzufriedenheit mit den einstigen Schwergewichten CDU und SPD geschuldet ist, steht außer Frage. Deren Verluste lassen sich natürlich ganz besonders mit dem Aufkommen der Alternative für Deutschland (AfD) erklären. Ohne das Megathema Flüchtlinge wären die Rechtspopulisten aber keinesfalls so stark. Aus dieser Erkenntnis könnten und sollten die Anderen nun ihre Lehren ziehen. Das gilt vor allem für CDU, SPD und Grüne. Ihr über Jahre zu beobachtender Drang in die Mitte hat sie in den Augen sehr vieler (potenzieller) Wähler immer ähnlicher erscheinen lassen.

Es war und ist die FDP, von der immer wieder die Klage vom programmatischen Einheitsbrei zu vernehmen war. Ihr Dilemma bestand freilich darin, lange selbst kein überzeugendes Gegenmodell geliefert zu haben. Weshalb sie 2013 verdienstermaßen aus dem Bundestag gewählt wurde. Im selben Jahr - und das war kein Zufall - gründete sich die AfD. In zehn Landtage ist sie seitdem geradezu gestürmt. Und weitere werden folgen. Wo die AfD gewinnt, werden im Gegenzug vor allem CDU und SPD gerupft.

Besinnung auf den Markenkern

Die beiden können von der wiedererstarkten FDP lernen, die ihre Lektion verstanden hat und das eigene Profil stärkt. Die CDU muss sich wieder mehr auf ihre konservativen Werte besinnen und die SPD auf ihre sozialen. In der Wirtschaft würde man vom Markenkern sprechen. Der kann von Konkurrenten auf mal mehr, mal weniger seriöse Weise kopiert werden.

Anders verhält es sich mit der AfD. Sie konnte ohne jede Tradition in die von der CDU gerissene Lücke stoßen. Sie tut es mit Wucht und kalkulierten Tabubrüchen. Dabei sammelt sie problemlos auch jenes Protestpotenzial ein, das von seinem Wahlrecht lange keinen Gebrauch gemacht hat. Und dabei müssen die alt eingesessenen Parteien erstaunt zur Kenntnis nehmen, dass die neue Lust am Wählen die AfD stärkt.

Neue Erkenntnis: Hohe Wahlbeteiligung stärkt den Rand

Früher hieß es immer, mit einer hohen Wahlbeteiligung könnten die Parteien am rechten und linken Rand klein gehalten werden. Das stimmte in Zeiten, als sich die etablierten auf ihre Stammwähler verlassen konnten. Doch die Bereitschaft, sich für ein anderes Angebot zu entscheiden, wächst schon seit Jahren. Damit spiegelt sich auf der politischen Bühne das wider, was in der Gesellschaft insgesamt schon lange zur Wirklichkeit gehört. Viele kehren aber zum früheren Lieblingsprodukt zurück, wenn die Qualität der Konkurrenz zu wünschen übrig lässt. Die Renaissance der FDP ist dafür ein Beleg.

Bei der AfD hingegen muss sich trotz ihrer gar nicht so überraschenden Erfolge erst noch zeigen, wie werthaltig sie ist. Es gibt eine Menge Anzeichen dafür, dass sie bei einem großen Teil der politischen Kundschaft vor allem mit ihrer Verpackung punktet. Dass der Inhalt eher dürftig ist, zeigt sich jetzt schon. Das merken die Wähler in toleranten Großstadtmilieus und Ballungsgebieten schneller als auf dem Land. In Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern landete die AfD auf Platz zwei des Parteien-Rankings. In Berlin nur auf Platz fünf.