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"Die Demokratie funktioniert"

Zusammengestellt von Ingun Arnold14. Mai 2004

Indien, die größte Demokratie der Welt, hat gewählt: Und sie hat sich für einen Regierungswechsel entschieden. Die Kommentare in Europas Tageszeitungen fallen überwiegend positiv aus.

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Die Pariser Zeitung "Libération" beschäftigt sich der mit der abgewählten Regierungspartei BJP:

"Ihre unerwartete Niederlage ist nicht nur ein Rückschlag für die nationalistische und religöse Rechte in Indien. Sie ruft auch die sozialen Realitäten in Erinnerung, die Kehrseite der Medaille des Wirtschaftsaufschwungs, den der geschlagene Premierminister für ein unschlagbares Wahlkampfargument gehalten hat. (...) Die Kongresspartei steht nun vor der Herausforderung, die Ärmsten an den Nutzen des Wachstums teilhaben zu lassen, ohne für die anderen die profitable Maschine kaputt zu machen. (...) Der legendäre Schlendrian der indischen Verwaltung hat sich immer gut mit dem Hause Gandhi arrangiert."

"Indien kehrt zur Gandhi-Dynastie zurück", schreibt die Londoner Wirtschaftszeitung "Financial Times":

"In einer überraschenden Wende hat die Witwe des ermordeten Rajiv Gandhi die indische Kongress-Partei zurück an die Macht geführt. Dies ist eine bemerkenswerte Übung in Demokratie in einer der größten und unberechenbarsten Demokratien der Welt. Sonia Gandhi, bisher eher als ein Relikt aus der Nehru- und Gandhi-Dynastie betrachtet, hat jeden Anspruch auf die Führung Indiens. Ihre Kongress-Partei hat damit begonnen, die unterentwickelte indische Kommandowirtschaft nach außen zu öffnen. Es ist damit zu rechnen, dass unter ihrer Führung die Reformen fortgesetzt werden. Vieles hängt jetzt von der Regierungsbildung ab."

Die römische Zeitung "Il Messaggero" wertet den Wahlsieg von Sonia Gandhi als wichtiges Signal gegen den Hindu-Fundamentalismus:

"Für die Kongresspartei und die anderen Oppositionsparteien haben ganz sicher die Muslime gestimmt, die der Politik der nationalistischen Hindus entgegentreten, die zu einer Verschärfung der Spannungen zwischen den Religionen führte, einschließlich zeitweiliger blutiger Konflikte. (…) Was jetzt aber zählt, ist, dass das zweitvolkreichste Land der Erde und die größte Demokratie der Welt nun wieder die Politik des Nationalismus verlässt, die auf gefährliche Weise von einem aggressiven hinduistischen Fundamentalismus durchzogen war, und zu seinen 'säkularen' Quellen zurückkehrt, von denen bereits die Väter der Unabhängigkeit träumten."

Die linksliberale Wiener Zeitung "Der Standard" sieht in dem Wahlausgang einen Sieg für Indiens Demokratie:

"Hier waren eine Partei und ein Premier an der Macht, die einen entschlossenen wirtschaftlichen Reformkurs verfolgt haben, der den einstigen Komapatienten in einen Hindu-Tiger verwandelt hat, dessen Wettbewerbsfähigkeit selbst die USA und die EU fürchten. Doch trotz eines kräftigen Wachstums und einer im Vergleich mit früher vernünftigen Außenpolitik wird die Regierung abgewählt, weil sie ihre Leistungen mit dem hochmütigen Slogan 'leuchtendes Indien' überverkauft hat und Hunderte Millionen Menschen vor allem auf dem Land vom Aufschwung nichts zu spüren bekommen. Auch in Europa wurden schon erfolgreiche Regierungen aus ähnlichen Gründen in die Wüste geschickt. Indien hat mit der reibungslosen Ablöse der BJP erneut seine hohe politische Reife bewiesen. Trotz großer Armut und gelegentlicher Gewaltausbrüche funktioniert die Demokratie, wenn es wirklich darauf ankommt."