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Koalition in Schleswig-Holstein zerbrochen

16. Juli 2009

Nach dem Aus für die Große Koalition in Kiel droht im nördlichsten Bundesland eine Hängepartie. Am Montag wird der Landtag über Neuwahlen am 27. September entscheiden. Doch die SPD sperrt sich.

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Ralf Stegner (links) und Peter Harry Carstensen (Foto: AP)
Schwieriges Verhältnis: Stegner (SPD) und Carstensen (CDU)Bild: AP

Nachdem die CDU die Koalition mit der SPD in Schleswig-Holstein hat platzen lassen, steuert die CDU Neuwahlen am Tag der Bundestagswahl am 27. September an. Der Landtag votierte am Donnerstag (16.07.2009) geschlossen für einen entsprechenden Dringlichkeitsantrag.

Allerdings ist zunächst die zur Auflösung des Parlaments nötige Zwei-Drittel-Mehrheit nicht in Sicht, da die SPD nicht zustimmen will. Dafür bekam sie auch Rückhalt aus der Bundespartei. SPD-Chef Franz Müntefering legt dem Ministerpräsidenten Peter Harry Christensen (CDU) stattdessen den Rücktritt nahe, wenn er Neuwahlen wolle.

CDU gibt Stegner die Schuld

Im Gegenzug machte die CDU erneut SPD-Landeschef Ralf Stegner für das Scheitern des Bündnisses im nördlichsten Bundesland verantwortlich. Angesichts zahlreicher Streitigkeiten in der Koalition aus Christdemokraten und Sozialdemokraten hatte die CDU-Landtagsfraktion beschlossen, noch in dieser Woche im Landtag vorgezogene Neuwahlen für den 27. September - den Tag der Bundestagswahl - zu beantragen.

Die Entscheidung fällt nun aber aller Voraussicht nach erst am Montag. Darauf einigte sich der Ältestenrat des Parlaments, nachdem zuvor bereits dieser Freitag für die Abstimmung vorgesehen war. Grund für die Verschiebung sind verfassungsrechtliche Bedenken.

SPD widersetzt sich

Stegner zeigte sich angesichts des CDU-Vorstoßes unnachgiebig. Seine Partei lasse sich nicht auf "wahltaktische Spiele" ein, sagte er im ARD-Fernsehen. Die SPD fürchte sich nicht vor Wahlen, versicherte Stegner. Er warf der CDU eine falsche Begründung für den Rückzug aus der Koalition vor. Sie versuche vor allem, einen für sie günstigen Wahltermin herauszuholen. Derzeit liegt die CDU in Umfragen weit vor der SPD. Den Sozialdemokraten würde demnach bei Neuwahlen wohl ein Desaster drohen.

"Nicht mehr hinnehmbar"

Peter Harry Carstensen (Foto: AP)
Ein verärgerter RegierungschefBild: AP

Das Verhältnis zwischen Carstensen und Stegner gilt bereits seit längerem als zerrüttet. Carstensen äußerte sich denn auch tief frustriert über den bisherigen Partner. "Was ich in den letzten Wochen erlebt habe, ist nicht mehr hinnehmbar", sagte der christdemokratische Regierungschef. "Es geht darum, dass die SPD unter Führung von Herrn Stegner die Regierungsarbeit mitträgt und nicht dagegen Opposition macht."

Zank um Bank

HSH Nordbank (Foto: DW)
Zankapfel: Die HSH Nordbank

Hauptstreitpunkte zwischen den Parteien waren ein geplantes Sparprogramm und die Lage bei der angeschlagenen staatlichen "HSH Nordbank". Zuletzt hatte sich die Krise wegen Bonuszahlungen an den Chef der "HSH Nordbank", Dirk Jens Nonnenmacher, verschärft. Carstensen wirft der SPD und insbesondere Stegner vor, von den umstrittenen Zahlungen gewusst und ihnen zugestimmt zu haben, sich danach aber gezielt von ihnen distanziert zu haben.

Karte von Schleswig-Holstein
Ganz im Norden Deutschlands: Schleswig-Holstein

Stellt Carstensen die Vertrauensfrage?

Unterstützung für ihre Pläne erhielt die CDU hingegen von der gesamten Opposition - also von Grünen, FDP und dem Südschleswigschem Wählerverband SSW. "Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende", hieß es von Seiten der Opposition. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Karl-Martin Hentschel sagte, wenn die SPD einer Auflösung des Landtages nicht zustimme, müsse Carstensen die Vertrauensfrage stellen.

In diesem Fall wollen FDP, Grüne und Südschleswigscher Wählerverband Carstensen das Vertrauen verweigern, so dass er den Landtag selbst auflösen kann. Die Sozialdemokraten könnten Neuwahlen nicht verhindern, sagte FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki auf NDR info.

Denkbar ist auch, dass der CDU-Regierungschef die SPD-Minister aus dem Kabinett entlässt. Eine Minderheitsregierung kommt für die schleswig-holsteinischen Christdemokraten aber wohl nicht in Betracht. Derzeit verfügt die CDU im Landtag über 30 Mandate, die SPD über 29 und die Opposition stellt zehn Parlamentarier.

Signal für Berlin?

Wolfgang Bosbach (Foto: dpa)
Wolfgang BosbachBild: picture-alliance/ dpa

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Wolfgang Bosbach, erwartet nach der Entscheidung der schleswig-holsteinischen CDU für Neuwahlen Auswirkungen auf den Bundestagswahlkampf. "Das ist auch ein Signal für Berlin", sagte Bosbach. Die Entwicklung zeige, dass Große Koalitionen auf Dauer keine Lösung seien.

Ähnlich äußerte sich FDP-Chef Guido Westerwelle: Er bezeichnete den Koalitionsbruch in Kiel als "bundespolitisches Fanal". Wenn es zu Neuwahlen komme, könne Schwarz-Gelb im Herbst nicht nur eine Mehrheit im Bundestag bekommen, sondern auch im Bundesrat "klare Verhältnisse" schaffen, sagte er in Berlin.

Im Bund regieren CDU/CSU und SPD seit 2005 ebenfalls in einer Großen Koalition, die beide Seiten jedoch nach der Bundestagswahl im Herbst beenden wollen. In den insgesamt 16 deutschen Bundesländern gibt es zur Zeit fünf "schwarz-rote" oder "rot-schwarze" Bündnisse. Regulär würde die nächste Landtagswahl in Schleswig-Holstein erst im Mai 2010 stattfinden. (kle/mas/dpa/afp/rtr/ap)