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Regierungswechsel in Kanada

24. Januar 2006

Nach zwölfjähriger Regierungszeit der Liberalen sind jetzt die Konservativen stärkste Kraft im kanadischen Parlament. Der bisherige Oppositionsführer Stephen Harper kann aber alleine keine Regierungsmehrheit stellen.

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Freut sich über seinen Sieg: Stephen HarperBild: AP

Die Kanadier haben für den politischen Wechsel gestimmt. Bei der Parlamentswahl am Montag (23.1.2006) wurden die Konservativen unter der Führung des bisherigen Oppositionsführers Stephen Harper stärkste Partei. Nach dem vorläufigen Endergebnis erhielten die Liberalen unter Ministerpräsident Paul Martin bei der Parlamentswahl 103 Sitze, 30 weniger als in der bisherigen Legislaturperiode. Die Konservativen gewannen dagegen nach zwölf Jahren in der Opposition 26 Mandate hinzu und werden künftig 124 Abgeordnete im Parlament in Ottawa stellen. Sie bleiben damit deutlich unter der absoluten Mehrheit von 155 Sitzen.

Konservative Minderheitsregierung nur von kurzer Dauer?

Kanada, das Parlament in Ottawa
Das Parlamentsgebäude in Ottawa auf dem Parliament HillBild: dpa

Die konservative Regierung wird deshalb auf wechselnde Bündnisse angewiesen sein, die von den jeweiligen Reformprojekten abhängen. Als Partner in einer Minderheitsregierung werden die sozialdemokratischen orientierten Nationaldemokraten (29 Mandate) oder der separatistische Bloc Québecois (51 Parlamentssitze) gehandelt - beide sicherlich keine Traumpartner der Konservativen. Deshalb wurde bereits am Dienstag (24.1.2006) öffentlich diskutiert, wie lange eine Minderheitsregierung Harper wohl halten werde. In der Vergangenheit haben kanadische Minderheitsregierungen selten länger als 18 Monate gehalten.

Harper will Wahlversprechen zügig umsetzen

Dennoch wertete der künftige Ministerpräsident Stephen Harper den Sieg seiner konservativen Partei als persönlichen Erfolg: "Unser großartiges Land hat den Wechsel gewählt", sagte Harper vor 2000 begeisterten Anhängern in seiner Wahlkampfzentrale in Calgary. Der 46-jährige Ökonom kündigte an, seine Wahlversprechen zügig umzusetzen: Steuersenkungen, mehr Autonomie für die 13 Provinzen und Territorien des Landes und eine Verbesserung der Beziehungen zum Nachbarland USA.

Bessere USA-Beziehungen oder "Rechtsruck"?

Die Beziehungen Kanadas zu den USA hatten durch die Ablehnung des Irak-Kriegs durch die bisher regierende Liberale Partei stark gelitten. Im Wahlkampf hatte Harper angekündigt, die kanadische Armee zu stärken und möglicherweise von dem Nein der bisherigen Regierung zu dem geplanten US-Raketenschild abzurücken. "Das Weiße Haus wird begeistert sein", kommentierte Stephen Clarkson, Politologe an der Universität Toronto.

Der scheidende Ministerpräsident Paul Martin hatte seinem Herausforderer vorgeworfen, für einen Rechtsruck zu stehen und das Land enger an die US-Regierung unter dem in Kanada relativ unpopulären George W. Bush anzubinden.

Korruptionsaffäre als Stolperstein für Regierung Martin

Paul Martin, Parlamentswahlen in Kanada
Ministerpräsident Paul Martin räumte seine Niederlage noch am Montagabend einBild: AP

Die Mehrheit der Abgeordneten im Parlament hatte Martins Minderheitsregierung Ende November 2005 mit einem Misstrauensvotum zu Fall gebracht. Hintergrund war die Veruntreuung öffentlicher Gelder in Millionenhöhe durch führende Parteimitglieder.

Nach der Wahl kündigte Martin seinen Rückzug vom Vorsitz der Liberalen Partei an: "Ich werde unsere Partei nicht in eine weitere Wahl führen", sagte er in Montreal.

Sieg durch Einigung des bürgerlichen Lagers

Die Abwahl der Regierung Martin kann Harper durchaus als persönlichen Erfolg verbuchen. Schließlich war er es, der die rund 15 Jahre bestehende Spaltung des bürgerlichen Lagers beendete, die den Liberalen bisher leichtes Spiel bereitet hatte. Harper war treibende Kraft der Initiative, die rechtskonservative Kanadische Allianz unter seinem Vorsitz und die bis 1987 einzige konservative Partei, die Tories der Progressive Conservatives zu vereinen. Im März 2004 wurde er zum Vorsitzenden der neu gegründeten Konservativen Partei gewählt. Den Sieg bei der Parlamentswahl im Juni 2004 verfehlte Harper knapp; damals war seine junge Partei noch unkoordiniert und wenig effektiv.

In Ottawa wird erwartet, dass Generalgouverneurin Michaëlle Jean den konservativen Parteichef Harper in ein bis zwei Wochen vereidigen wird. Jean vertritt das Staatsoberhaupt Kanadas, die britische Königin Elizabeth II. (ana)