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Deutschland: Schwerer Unfall mit Magnetschwebebahn

22. September 2006

Der schlimmste Unfall in der Geschichte der Magnetschwebetechnik hat auf der Versuchsstrecke im Emsland über 20 Menschen das Leben gekostet. Der Zug war am Freitagmorgen (22.09.) auf einen Werkstattwagen geprallt.

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Transrapid: Bergung in vier Metern Höhe
Katastrophe in vier Metern HöheBild: AP

Am Streckenpfeiler 121 hatte das Drama des Verkehrsmittels begonnen, das als sicherstes der Welt galt: Mit 180 Stundenkilometern rast der Transrapid über die Strecke. An Bord sind 31 Insassen: fünf technische Mitarbeiter, darunter drei Zugführer, zwei US-Bürger, RWE-Mitarbeiter aus Nordhorn, Altenpfleger aus Papenburg und zwei Auszubildende, die die Fahrt als Auszeichnung bekommen haben. Der Zug wurde von der Zentrale ferngesteuert. Dennoch konnten die Zugführer in die Fahrt eingreifen. Einer der beiden Zugführer in der Frontkanzel erkennt noch das Hindernis auf der Strecke und versucht eine Notbremsung. Doch das Manöver kommt zu spät: Der Transrapid kracht auf ein 60 Tonnen schweres Wartungsfahrzeug, schiebt es 500 Meter vor sich her, bevor er zum Stehen kommt.

Verwirrung um Opferzahl

Verunglückter Transrapid
Verunglückter Transrapid:Bild: AP

Eine abrasierte Baumkrone und Trümmer in den Ästen machen die Wucht des Aufpralls deutlich. "Zwischen den Bäumen haben Spürhunde heute noch Leichenteile entdeckt", sagt Polizeisprecher Achim van Remmerden. 25 Leichensäcke hatten seine Kollegen am Freitagabend gezählt und waren zunächst von 25 Toten ausgegangen. Erst eine genaue Untersuchung ergab, dass darin Leichen und Körperteile von 23 Opfern lagen. DNA-Untersuchungen laufen, um die Toten mit einer Liste der Zuginsassen abzugleichen.

Staatsanwalt Alexander Retemeyer aus Osnabrück beschäftigt die Kernfrage der Tragödie: "Warum durfte der Transrapid auf die Strecke fahren, obwohl dort noch das Wartungsfahrzeug stand?" Die Leitzentrale hätte sich von dessen Rückkehr in eine Parkbucht überzeugen müssen, bevor sie den Transrapid auf die Strecke schickte. Menschliches Versagen deutet sich somit für die Ermittler als Auslöser der Katastrophe an, aber es werden auch Lücken im System sichtbar. So war die Unglücksstelle nicht kameraüberwacht. Während der Transrapid in ein sensorbestücktes Kontrollsystem eingebunden ist, gibt es zu dem Wartungsfahrzeug nur eine Zugfunkverbindung. "Man kann davon ausgehen, dass es relativ wenig technische Sicherungen gegeben hat", sagt Retemeyer. "Es gibt keine technische Kontrolle, wo sich das Wartungsfahrzeug auf der Strecke befindet."

Grünes Licht von der Leitstelle

Die Ermittler konzentrieren sich jetzt auf die Leitstelle, von der aus offenbar grünes Licht für die Todesfahrt kam. Ob die zwei Mitarbeiter der Zentrale bereits vernommen wurden, kann Retemeyer nicht sagen. "Wir haben dort sämtliche Unterlagen beschlagnahmt - und dazu die gesamte Unfallstelle." Zwei der wichtigsten Zeugen kann die Polizei nicht mehr fragen: Die beiden Zugführer in der Frontkanzel starben.

Ein Wagen des Transrapids liegt zerstoert auf dem Fahrweg der Transrapid-Versuchsstrecke in Lathen
Ein Wagen des Transrapids liegt auf dem Fahrweg der Transrapid-Versuchsstrecke in LathenBild: AP

Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) hält nicht nur Sicherheitsüberprüfungen für erforderlich. Zu klären sei auch die Frage, ob es "Konsequenzen für die Technologie gibt", sagte der Minister am Unfallort in Lathen. An diesem Sonntag will er sich mit Vertretern des Transrapid-Konsortiums von Siemens und ThyssenKrupp in Berlin treffen.

Delegation aus Shanghai vor Ort

Eine chinesische Wirtschaftsdelegation hat am Samstag die Transrapid-Unglücksstelle besichtigt. Sie werde angeführt von dem Chef-Manager der Transrapid-Strecke in Shanghai, Commander Wu Xiangming, sagte der Geschäftsführer der Emsland-Teststrecke, Rudolf Schwarz. Wu wolle sich persönlich ein Bild von dem Unglück machen und gegebenenfalls Konsequenzen für den Betrieb in Shanghai ziehen.

In Shanghai ist seit Anfang 2004 die erste kommerzielle Transrapid-Strecke in Betrieb. Sie verbindet den Flughafen mit dem Finanzzentrum. Sie läuft auch nach dem Unglück weiter. (sams)