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Wahlen in Belarus

25. November 2010

So viele Kandidaten wie noch nie stehen am 19. Dezember zur Wahl. Oppositionelle Kandidaten wurden zwar zugelassen, sie klagen jedoch über unfaire Bedingungen. Experten sprechen von einer vermeintlichen Liberalisierung.

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Screenshot der belarussischen Website election.in-by.net (Foto: DW)
Wahlkampf in BelarusBild: election.in-by.net

Der Abstand ist deutlich: Aleksandr Lukaschenko, seit 1994 Präsident in Belarus, legte rund 1,1 Millionen Unterschriften von Menschen vor, die seine Kandidatur unterstützen. Wladimir Nekljajew, Führer der oppositionellen Kampagne "Sag die Wahrheit", hatte mehr als 180.000 Unterschriften gesammelt. Mit 100.000 Unterschriften - das erforderliche Minimum - hat Grigorij Kostusew von der Belarussischen Volksfront es gerade noch auf die Kandidatenliste geschafft.

Unterschriftversammlung für Aleksandr Lukaschenko (Foto: Bymedia)
Über eine Million Unterstützer-Unterschriften für LukaschenkoBild: Bymedia

Insgesamt werden neun Kandidaten gegen Lukaschenko antreten: die Oppositionellen Andrej Sannikow, Kandidat der Bewegung "Europäisches Belarus", Jaroslaw Romantschuk, Vizevorsitzender der Vereinigten Bürgerpartei, Nikolai Statkewitsch, Kandidat der Belarussischen Sozialdemokratischen Partei, Ales Michalewitsch von der Vereinigung "Union für Modernisierung" sowie Witalij Rymaschewskij, Kandidat der Belarussischen Christdemokraten. Auch zwei Unternehmer wurden als Kandidaten zugelassen: Wiktor Tereschtschenko und Dmitrij Uss.

Oppositionelle: Unfaire Bedingungen

Als die Zentrale Wahlkommission den Kandidaten die Zulassungsurkunden überreichte, beschwerten sich alle über unfaire Bedingungen - mit Ausnahme der Vertreter des Amtsinhabers Lukaschenko sowie des Kandidaten Michalewitsch.

Präsidentschaftskandidat Grigorij Kostusew sprach von fehlender Meinungsfreiheit. Unabhängige Zeitungen sollten wieder in das staatliche Vertriebssystem aufgenommen werden. Zudem forderte er für alle Kandidaten einen gleichberechtigten Zugang zu den staatlichen Medien. Unterstützung erhielt der stellvertretende Vorsitzende der Belarussischen Volksfront vom ehemaligen Landwirtschaftsminister Wasilij Leonow, der den Kandidaten Wladimir Nekljajew vertrat. Leonow sagte, die Belarussen würden nicht über alle Kandidaten objektiv informiert. Gleichzeitig stellte er aber fest, dass sich die Wahlkommission sich bislang an die Grundsätze demokratischer Wahlen gehalten habe.

Kandidaten erhalten Zulassungsurkunden. Andrej Sannikow rechts im Bild (Foto: DW)
Andrej Sannikow (rechts) während der RegistrierungBild: DW/Gennadij Kesner

Andrej Sannikow, Präsidentschaftskandidat der Bewegung "Europäisches Belarus", erinnerte daran, dass Belarus nach wie vor als letzte Diktatur in Europa bezeichnet werde. "Das ist eine Schande für unser Land, aber es ist eine gerechte Bewertung der jetzigen Lage", sagte er. Eine wirtschaftliche und politische Modernisierung für Belarus forderte der Präsidentschaftskandidat Jaroslaw Romantschuk. Er rief die Behörden des Landes auf, die Verfassung zu achten und alle Kandidaten im Wahlkampf gleich zu behandeln.

Nach den Stellungnahmen der Kandidaten wurde die Zuteilung von Sendezeit im staatlichen Rundfunk ausgelost. Die Wahlkommission hatte zuvor entschieden, dass die Fernsehdebatten der Präsidentschaftskandidaten live übertragen werden.

"Alles läuft nach Lukaschenkos Plan"

Demo von Anhängern oppositioneller Kandidaten in Minsk (Foto:DW)
Anhänger oppositioneller Kandidaten in MinskBild: DW/Gennadij Kesner

Die große Anzahl von Kandidaten zeige, dass man sich im demokratischen Lager wieder einmal nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten habe einigen können, sagte der belarussische Politologe Jurij Schewzow. Der Leiter des in Litauen ansässigen Belarussischen Instituts für strategische Forschungen, Witalij Silizkij, hingegen meint, alles laufe so, wie Amtsinhaber Lukaschenko es geplant habe. "Mit der großen Anzahl von Kandidaten will man zeigen, dass die Wahlen nach demokratischen Regeln ablaufen und dass alle Kandidaten diese Regeln akzeptieren", so der Experte.

In Wirklichkeit wolle die belarussische Führung mit einer vermeintlichen Liberalisierung nur eine akzeptable Bewertung der Wahlen durch europäische Institutionen erreichen, glaubt der belarussische Politikwissenschaftler Aleksandr Klaskowskij. Ihm zufolge wolle Minsk den Dialog mit dem Westen fortsetzen, um von dort Investitionen zu erhalten. Lukaschenko wolle außerdem mit den Wahlen den Eindruck erwecken, es gebe keine Alternative zu ihm.

Autoren: Artur Smirnow, Markian Ostaptschuk
Redaktion: Julia Kuckelkorn