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Die Erben von Air Berlin

Andreas Spaeth
15. August 2018

Vor einem Jahr musste Air Berlin, die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft, Insolvenz beantragen. Die Pleite hat die Branche aufgewirbelt, zunächst stiegen die Preise. Inzwischen füllen Billigflieger die Lücke.

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Flugzeug von Air Berlin
Bild: Thomas Schuhmacher/airberlin

Man reibt sich beim Blick in die Luft verdutzt die Augen, wenn ein rot-weiß bemalter Jet vorbeifliegt. Das ist doch... ja genau: ein Flugzeug von Air Berlin in voller Bemalung. Eine Zeitreise?

Die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft erklärte vor einem Jahr, am 15. August 2017, ihre Insolvenz. Ende Oktober beendete sie dann den Flugbetrieb. Und trotzdem ist es keine Fata Morgana - auch im Sommer 2018 fliegen immer noch vereinzelt Air-Berlin-Maschinen umher, als sei nie etwas geschehen.

Des Rätsels Lösung: Nicht alle der ehemals über hundert Flugzeuge von Air Berlin wurden bisher umlackiert, manche stehen noch am Boden oder fliegen in alten Farben und mit alter Aufschrift , aber betrieben von TUIfly oder für Laudamotion.

Die Air-Berlin-Tochter NIKI wurde von Niki Lauda rückerworben und fliegt heute Urlauber als Teil von Ryanair, aber in eigener Bemalung. Wer auf Langstrecken noch Air-Berlin-Flair genießen möchte, muss heute mit der britischen Virgin Atlantic Airways ab London-Gatwick fliegen, die hat von Air Berlin einige Airbus A330 erworben und sie in der Kabine weitgehend im Originalzustand belassen. Dafür tragen die Maschinen jetzt klingende Taufnamen wie "Daydream Believer", "Scarlett O'Hara" oder "Honky Tonk Woman".

Zunächst höhere Preise

Jenseits solcher Äußerlichkeiten steht fest: Der bisher größte Marktaustritt einer Airline in Europa wurde inzwischen kompensiert. Zunächst herrschte im Herbst 2017 mit der entfallenen Kapazität der Air-Berlin-Flotte eine Knappheit an Flugsitzen am Markt, vor allem im innerdeutschen Flugverkehr ging das Angebot zurück.

Die Folge war ein Preisanstieg von mehr als zehn Prozent. Der Lufthansa-Konzern war plötzlich zum Monopolisten geworden. Selbst das Bundeskartellamt prüfte in der Folge das Tarifgebaren der Lufthansa, konnte aber kein Fehlverhalten feststellen.

Seit Anfang des Jahres etablierten sich Easyjet mit Schwerpunkt Berlin-Tegel und Eurowings mit Schwerpunkt Düsseldorf als die Haupterben von Air Berlin, auch Anbieter wie Germania und Ryanair sicherten sich bestimmte Strecken.

Durch das erneut gesteigerte Angebot fielen die Flugpreise umgehend wieder, im April 2018 um minus 1,3 Prozent im Vergleich zum Oktober des Vorjahres.

Deutschland | 38 Jahre Air Berlin | Letzter Flug Air Berlin
Abschiedsgruß der Crew beim letzten Air-Berlin-Flug am 27.10.2017 von München nach BerlinBild: picture-alliance/dpa/M. Balk

Mehr Billigflüge

"Damit liegen sie aktuell auf dem tiefsten Niveau seit 2012", konstatiert der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) in seinem gerade vorgelegten Bericht für das erste Halbjahr 2018 .

Im Juni 2018 lagen die durchschnittlichen Preise für Interkontinentalflüge deutlich niedriger (minus 7,7 Prozentpunkte) als im Vorjahresmonat, auch innerdeutsch (minus 4,4) und innerhalb der EU (minus 3,0) sanken die Tarife.

Air Berlin ist unter anderem auch daran gescheitert, dass man sich als sogenannte Hybridgesellschaft positionieren wollte, also allen alles bieten und gleichzeitig normale Fluggesellschaft und Billiganbieter sein zu wollen. Nach ihrem Untergang hat der Anteil der echten Billigflieger massiv zugelegt.

Besonders deutlich wird das am Flughafen Berlin-Tegel, wo Easyjet jetzt die Rolle des Platzhirsches spielt. Anfang 2012 lag der Anteil der Billigflieger, zu denen damals Air Berlin nur bedingt zählte, bei gerade einmal 20 Prozent, im ersten Halbjahr 2018 waren es fast 57 Prozent.

Betrachtet man alle deutschen Flughäfen, entfallen fast 29 Prozent aller Abflüge auf Billiganbieter, vor einem Jahr lag der Low-Cost-Anteil noch bei 23 Prozent. "Das vergrößert die Vielfalt für die Kunden, intensiviert den Wettbewerb und senkt die Preise", frohlockt der BDL.

Mehr Verkehr

Aber es führt eben auch zu Verkehrswachstum, auf das die deutschen Flughäfen nicht ausreichend vorbereitet sind, wie die aktuellen Probleme bei Sicherheitskontrollen in Frankfurt, München und Bremen beweisen. Und der Wettbewerb findet zumindest bei Ryanair klar auf dem Rücken der Mitarbeiter statt, die sich jetzt erstmals in weitreichenden Streikaktionen wehren.

Die Lufthansa-Tochter Eurowings geriet zudem an den Rand des Kollapses, weil sie sich mit der Übernahme von 77 Air-Berlin-Flugzeugen in kurzer Zeit schlicht zu viel zugemutet hatte. Massive Unregelmäßigkeiten und Flugausfälle im gesamten Streckennetz in den vergangenen Monaten waren die Folge, die Gesellschaft entschuldigte sich bei Kunden und Reisebüros.

Gleichzeitig argumentierte Eurowings, das Unternehmen habe durch die Übernahme rund 3.000 Air-Berlin-Mitarbeitern eine neue berufliche Perspektive ermöglicht und außerdem dafür gesorgt, dass Kapazitätsengpässe nach der Pleite nicht zu größeren Problemen im Luftverkehr geführt hätten. "Die laufende Übergangsphase ist allerdings organisatorisch wie operativ ein Kraftakt, für den es keine Blaupause gibt", wirbt ein Eurowings-Sprecher um Verständnis.