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Hardliner wollen den Konflikt

Jamsheed Faroughi
Jamsheed Faroughi
5. Januar 2016

Der Kampf zwischen dem Iran und Saudi-Arabien um die Vorherrschaft im Nahen Osten hat eine neue Dimension erreicht. Die Staatengemeinschaft muss intervenieren, meint Jamsheed Faroughi.

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Protest vor der Botschaft Saudi-Arabiens im Iran (Foto: Fars)
Bild: Mehr

Die Meldung war kurz und knapp: Saudi-Arabien hat 47 Menschen wegen terroristischer Aktivitäten und krimineller Verschwörung hingerichtet. Einer davon war Nimr al-Nimr, ein schiitischer Kleriker, der jahrelang im Iran lebte und sich für die Rechte der Schiiten in Saudi-Arabien sowie in Bahrain stark machte.

Hinrichtungen sind sowohl im Iran als auch in Saudi-Arabien - man muss das so sagen - Tagesgeschäft. Auf der Liste des Schreckens steht Iran nach China auf Platz zwei, gefolgt von Saudi-Arabien. Dass die Mitglieder der religiösen Minderheiten in den beiden Ländern verfolgt und manchmal auch hingerichtet werden, ist allgemein bekannt.

Neue Eskalationsstufe

Kurz nach der Massenhinrichtung in Saudi-Arabien gab es Proteste im Iran, im Irak, in Syrien, im Libanon und Jemen. Saudi-Arabien hat als Erstes die Beziehungen zum Iran vollständig eingestellt. Bahrain, Sudan und Dschibuti waren die Nächsten, die ihre diplomatischen Beziehungen mit dem Iran auf Eis legten. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate haben ihre Botschafter zurückgerufen.

Insofern haben die Hinrichtungen und die Reaktionen nicht nur die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen dem saudischen Königshaus und dem Reich der Ayatollahs im Iran angeheizt, sondern schnell weite Kreise gezogen. Eine diplomatische Krise erfasst die gesamte Region.

Gezielte Provokation

Aber die Exekution von Nimr al-Nimr war Teil einer blutigen und gezielten Provokation. Und Riad hat erreicht, was es wollte: eine kopflose Reaktion des Irans, nämlich den Sturm auf die saudische Botschaft in Teheran und das saudische Konsulat in Mashhad. So gesehen ist der Iran Saudi-Arabien in die Falle gegangen.

Aber was hat den Iran zu der kopflosen Reaktion getrieben? Auf diese Frage gibt es keine einfache Antwort.

Deutsche Welle Persische Redaktion Jamsheed Faroughi (Foto: DW)
Jamsheed Faroughi, Leiter der Farsi-RedaktionBild: DW/P. Henriksen

Zuerst einmal ist zu betonen, dass es sich nicht in erster Linie um einen religiösen Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten handelt. Es geht um die Vorherrschaft im Nahen Osten. Dafür führen die Kontrahenten Iran und Saudi-Arabien unter anderem gefährliche Stellvertreterkriege etwa in Syrien oder dem Jemen, die das Potential haben, den gesamten Nahen Osten in Brand zu stecken.

Hardliner heizen Konflikt an

Zweitens hat der Nukleardeal mit dem Iran das politische Gleichgewicht der Region verändert. Saudi-Arabien fürchtet, das der Iran, sollte er wirtschaftlich wieder auf die Beine kommen, auch machtpolitisch an Gewicht gewinnt.

Aber die Feinde des Nukleardeals sind nicht nur, wie man vielleicht meinen könnte, das saudische Königshaus, Israel und die Golfstaaten. Im Iran selbst gibt es Kräfte, die von politischen Spannungen in der Region leben. Das Atomabkommen war den Ultrakonservativen im Iran von Anfang an ein Dorn im Auge. Sie sind gegen die Normalisierung der Beziehungen zur Weltgemeinschaft. Sie sind gegen jegliche Annäherung an den Staatsfeind Nr. 1, die USA. Sie brauchen das Feindbild, um ihre eigene Agenda zu verfolgen. Der Angriff auf die saudische Botschaft in Teheran, der nicht ohne Zustimmung zumindest eines Teils des iranischen Systems hätte stattfinden können, war die Reaktion der Ultrakonservativen auf die Provokation des saudischen Königshauses.

Die Gruppe der iranischen Ultrakonservativen hat mit den Provokateuren aus Saudi-Arabien ein gemeinsames Interesse: die Verschärfung der Krise. Auf beiden Seiten profitieren die Hardliner von der diplomatischen Eiszeit, denn sie gibt ihnen freie Hand, um die Stellvertreterkriege in unverminderter Brutalität fortzuführen.

Rückkehr zum Dialog

Unter der Verschärfung des Konfliktes werden viele Menschen leiden. Eine Annäherung in Syrien ist wieder in weite Ferne gerückt, die Befriedung des Jemens sowie des Iraks wird unwahrscheinlicher, die Auseinandersetzung der ethnischen sowie religiösen Kräfte wird die Region weiter destabilisieren. Gewinnen wird vermutlich nur der sogenannte Islamische Staat, der im Schatten des iranisch-saudischen Machtkampfes seinen Einfluss ausweiten könnte.

Die Gefahr ist groß und die Staatengemeinschaft muss alles tun, um die diplomatische Eiszeit zu beenden und eine Rückkehr zum Gespräch voranzubringen. Ein Ende der diplomatischen Beziehungen ist inakzeptabel.

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