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Gesellschaft

500.000 Corona-Tote und Bolsonaros Schuld

Brasilien Philipp Lichterbeck | Post aus Rio
Philipp Lichterbeck
19. Juni 2021

Präsident Bolsonaro wird wahrscheinlich kein Mitgefühl für die Corona-Tragödie in Brasilien zeigen und nicht um die Toten trauern. Er hat ein verheerendes Pandemie-Management betrieben, meint Philipp Lichterbeck.

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Bildergalerie 500.000 Corona-Tote in Brasilien
Street Art in Rio de Janeiro: Brasiliens Präsident Bolsonaro und das CoronavirusBild: Mauro Pimentel/AFP

500.000 Brasilianer sind an Covid-19 gestorben. Es ist, als ob die Bevölkerung von Florianópolis ausgelöscht worden wäre. Und das Sterben ist noch nicht vorbei. Jeden Tag fallen dem Virus durchschnittlich 2.000 Menschen zum Opfer.

Schlimmer noch: Die wahre Opferzahl liegt wahrscheinlich weit darüber. Das Institute for Health Metrics and Evaluation (IHME) aus Seattle geht davon aus, dass es eine erhebliche Dunkelziffer von Covid-19-Toten in Brasilien gibt. Die Wissenschaftler schätzen, dass bereits mehr als 600.000 Menschen in Brasilien an dem Virus gestorben sein könnten.

Corona, na und?

Dafür allein die Bolsonaro-Regierung verantwortlich zu machen, wäre zu einfach. Viele Brasilianer haben jede Gelegenheit wahrgenommen, um sich den einfachsten Pandemie-Regeln zu widersetzen: Maske tragen, Abstand halten, sich nicht versammeln, insbesondere in geschlossenen Räumen. Immer wieder wurden Partys gefeiert, man bevölkerte die Strände, ging in Bars und Restaurants.

Andererseits ist es unmöglich, die Regierung nicht für Brasiliens Corona-Katastrophe in die Pflicht zu nehmen. Sie hat ein verheerendes Pandemie-Management betrieben und ist nicht nur Schuld an unzähligen Covid-19-Toten, sondern auch daran, dass die Pandemie einfach nicht enden will.

Ich rufe an dieser Stelle nochmal in Erinnerung, was für ein absurdes und letztendlich Menschen verachtendes Schauspiel Präsident Bolsonaro im Lauf der Pandemie aufgeführt hat. Er leugnete, schimpfte, säte Zweifel, sabotierte.

Wider die Wissenschaft

DW Quadriga Spanisch | Philipp Lichterbeck
DW-Autor Philipp Lichterbeck berichtet aus BrasilienBild: DW

Er bezeichnete Covid-19 als "Grippchen" und bewirbt bis heute das Antimalariamittel Hydroxychloroquin. Immer wieder provoziert er Menschenansammlungen, bei denen er keine Maske trägt. Er lehnte die frühzeitige Lieferung von Impfungen ab, und streute dann Zweifel an deren Wirksamkeit.

Nun behauptet er auch noch, dass die Zahl der Toten nicht korrekt und bewusst vergrößert worden sei. Man kann sich nach 15 Monaten Corona-Pandemie nur schwer jemanden vorstellen, der Brasilien schlechter durch die Pandemie geführt hätte.

Natürlich kann man darüber streiten, ob die Linke oder die Rechte bessere Lösungsvorschläge für Brasiliens Herausforderungen hat. Nicht streiten sollte man darüber, dass die Regierung von einer Person geführt werden sollte, die die Bevölkerung ernst nimmt und versucht, Schaden von ihr abzuwenden.

Das einzige jedoch, was Bolsonaro ernst nimmt, ist sich selbst. Das einzige, was er schützt, sind die Interessen seines Familienclans. Die Pandemie hat er hingegen nicht nur nicht eingedämmt; er hat sie aktiv beschleunigt.

Deswegen ist es richtig, dass derzeit ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss Licht in die Vorgänge innerhalb der Regierung bringt. Es ist bereits klar: Der Umgang Bolsonaros mit der Pandemie trägt kriminelle Züge.

Ohne Empathie

Wer den Präsidenten kennt, weiß, dass er keine angemessenen Sätze zu 500.000 Covid-19-Toten finden wird. Er wird kein Wort der Anteilnahme, des Bedauerns oder des Mitgefühls äußern.

Wenn er sich äußern wird, dann wird er wahrscheinlich Lügen und Halbwahrheiten auftischen. Etwa, dass er die Pandemie von Anfang an ernst genommen habe; oder dass seine Regierung die Brasilianer mit Impfstoffen versorge – es war eine Handvoll Gouverneure, die sich frühzeitig darum bemühte.

Es ist auch möglich, dass Bolsonaro behaupten wird, dass er Brasiliens Wirtschaft am Laufen halten wollte. Nur hätte er dann die Pandemie bekämpfen müssen, anstatt sie immer weiter in die Länge zu ziehen.

Man sagt, dass sich besonders in Krisen die wahre Größe eines Menschen oder einer Regierung zeigt. Gemessen daran sind Bolsonaro und seine Minister Zwerge.