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Politik

Suu Kyi steht erstmals persönlich vor Gericht

24. Mai 2021

Die unter Hausarrest gestellte De-Facto-Regierungschefin von Myanmar, Aung San Suu Kyi, hat erstmals seit dem Militärputsch Zugang zu ihren Anwälten erhalten. Vor Gericht zeigte sie sich kämpferisch.

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Myanmar Protest Demonstration Aung San Suu Kyi
Eine Protestaktion für Aung San Suu Kyi in Myanmar im Februar 2021Bild: AFP/Getty Images

Bei ihrem ersten persönlichen Auftritt vor Gericht richtete sich Aung San Suu Kyi über ihre Anwältin Min Min Soe an die Bevölkerung Myanmars: Ihre bei dem Militärputsch im Februar abgesetzte Partei werde "so lange existieren, wie das Volk existiert". In der vergangenen Woche hatte die Militärjunta gedroht, die Nationale Liga für Demokratie (NLD) wegen angeblichen Wahlbetrugs aufzulösen.

Das Anwaltsteam der entmachteten 75-jährigen De-Facto-Regierungschefin hatte laut Min Min Soe 30 Minuten Zeit, um mit ihr zu sprechen. "Sie klang gesund und völlig zuversichtlich", sagte die Anwältin der Nachrichtenagentur AFP. Seit dem Putsch befindet sich die in Myanmar als Nationalheldin gefeierte Friedensnobelpreisträgerin in Gewahrsam und ist nicht mehr in der Öffentlichkeit aufgetreten. Bei Anhörungen vor Gericht war sie bislang nur per Video zugeschaltet.

Myanmar Wahlen 2020  Aung San Suu Kyi
Aung San Suu Kyi gibt ihre Stimme bei der Wahl im Herbst 2020 abBild: Aung Shine Oo/AP Photo/picture alliance

Die 75-Jährige sieht sich mit einer Reihe von strafrechtlichen Anschuldigungen konfrontiert, darunter der Besitz von Funkgeräten ohne die erforderliche Genehmigung, die Verletzung von Corona-Bestimmungen, die Aufforderung zum öffentlichen Aufruhr sowie die Annahme von Schmiergeldzahlungen. Später war der Vorwurf hinzugekommen, die Politikerin habe ein noch aus der Kolonialzeit stammendes Gesetz über Amtsgeheimnisse gebrochen.

Nur 30 Minuten Beratung

Suu Kyi habe betont, dass 30 Minuten nicht ausreichten, um mit ihren Rechtsanwälten alle Fälle zu besprechen, hieß es nun in einer Mitteilung. Sie habe die Anwälte deshalb gebeten, beim Richter ein weiteres Treffen zu beantragen. Auch habe Suu Kyi dem Volk ihre besten Wünsche gesendet. Danach bekamen die Anwälte auch Zugang zum ebenfalls festgesetzten Staatspräsidenten Win Myint. Die eigentliche Anhörung wurde vom Richter auf den 7. Juni vertagt. Während des Gerichtstermins am Montag herrschten in der Hauptstadt Naypyidaw starke Sicherheitsvorkehrungen, die Straße zum Gerichtsgebäude war nach Berichten von Reportern mit Polizeilastwagen abgesperrt.

TABLEAU | Myanmar Mandalay | nach Militärputsch | Protest
Demonstranten setzen sich im April 2021 in Mandalay für die Demokratie einBild: SH/Penta Press/imago images

Suu Kyi hatte bereits in der Vergangenheit insgesamt 15 Jahre unter Hausarrest gestanden. Nach der Einleitung demokratischer Reformen war sie 2016 faktische Regierungschefin geworden. Sie ist beim Volk noch immer beliebt und hatte sich bei der Parlamentswahl im November eine zweite Amtszeit gesichert. Beobachter glauben, dass sie den Generälen, die das frühere Birma Jahrzehnte lang mit eiserner Faust regiert hatten, zuletzt zu gefährlich geworden sein soll. Die Junta begründete den Putsch hingegen mit angeblichem Wahlbetrug. Beweise legte sie nicht vor. Wahlbeobachter hatten die Wahl als insgesamt frei und fair bezeichnet.

Das Militär hatte am 1. Februar in dem südostasiatischen Land die Macht an sich gerissen und damit eine zehnjährige Phase des demokratischen Wandels in dem Land vorerst beendet. Das Regime sieht sich seitdem massiven, fast täglich stattfindenden Protesten gegenüber. Armee und Polizei gehen mit brutaler Gewalt gegen Demonstranten vor. Nach Schätzungen der Gefangenenhilfsorganisation AAPP sind bereits mindestens 818 Menschen getötet worden. Zudem wurden fast 5.400 Personen festgenommen, von denen die meisten immer noch hinter Gittern sitzen. Gegen 1.822 Menschen wurden Haftbefehle ausgestellt.

Warnung vor Bürgerkrieg

Mittlerweile haben sich lokale Bürgerwehren gegründet, die sich mit teils selbstgebauten Waffen gegen die Militärherrscher verteidigen. Zudem haben einige der langjährigen Rebellengruppen ihre Angriffe gegen das Regime verschärft. Beobachter warnen vor einem landesweiten Bürgerkrieg.

Unterdessen kam es im Süden Myanmars zu neuen Gefechten zwischen der Armee und Aufständischen. Dabei seien im Ort Moe Bye nahe der Grenze zwischen den Staaten Shan und Kayah mindestens 20 Soldaten getötet worden, berichten örtliche Medien. Widerstandskämpfer hätten dort eine Polizeistation eingenommen. Vier Polizisten seien gefangen genommen worden.

Am Sonntag kritisierte die Europäische Union die Ankündigung des Regimes, die Partei der entmachteten Regierungschefin Aung San Suu Kyi wegen angeblichen Wahlbetrugs auflösen zu wollen. Sollte dieses Vorhaben umgesetzt werden, "würde dies einmal mehr die unverhohlene Missachtung des Willens des myanmarischen Volkes und der Rechtsstaatlichkeit durch die Junta zeigen", teilte ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell mit.

kle/sti (afp, rtr, dpa, ape, epd)