Farsi-Redaktion: Gemischte Gefühle zum 60-jährigen Bestehen | Presse | DW | 08.12.2022
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PRESSE

Farsi-Redaktion: Gemischte Gefühle zum 60-jährigen Bestehen

Das Farsi-Programm der DW sieht sich zum 60-jährigen Jubiläum einer seiner größten Herausforderungen ausgesetzt: Die Redaktion wurde im Oktober vom iranischen Regime mit Sanktionen belegt.

60 Jahre DW Persian Service

Die Farsi-Redaktion der DW begeht 60-jähriges Jubiläum

Die meisten Angebote der DW sind seit Jahren in Iran gesperrt, der letzte noch offene Kanal – Instagram – seit September. Mitarbeitende der Redaktion werden drangsaliert. Wie gehen die Kolleginnen und Kollegen mit den Belastungen um?

Die Anrufe kamen vom iranischen Geheimdienst seit Beginn der Proteste. Agenten bedrohten die Familie und Freunde eines DW-Redaktionsmitglieds und forderten sie auf, den Kontakt zu ihm abzubrechen, ihm auf Instagram zu entfolgen. Der Journalist sei ein "Muharebbe" (dt. Krieger gegen Gott) – darauf steht in Iran die Todesstrafe. Für den Mitarbeitenden, der fast 5.000 km von Teheran entfernt in Deutschland lebt, war sein Heimatland plötzlich ganz nah. "Die Bedrohung ist real, sie war schon immer da, aber hat sich seit Beginn der Proteste im Iran im September verstärkt", so Yalda Zarbakhch, Head of DW Persian Service.

Ende Oktober erhob das iranische Regime den Vorwurf, die Farsi-Redaktion unterstütze Terrorismus. Die damit verbundenen Sanktionen bedeuten Einreiseverbote, die Konfiszierung von Vermögen in Iran und am schmerzhaftesten: der Abschied von Familie und Freunden. "Ich nehme keinen Kontakt zu meinen Angehörigen auf, um sie nicht in Gefahr zu bringen. Eine einzige Nachricht reicht, um eine vermeintliche Verbindung zum 'Feind' herzustellen und den Vorwurf der Spionage zu bekräftigen. Darauf stehen im Iran Haftstrafen oder sogar die Todesstrafe", sagt Zarbakhch. Die DW reagierte mit einer Pressemitteilung auf das Vorgehen der iranischen Behörden.

Repressalien und Einschüchterung durch das Regime

Wie hart das Regime durchgreift, zeigt auch der Fall eines Angehörigen einer DW-Redakteurin, auf dessen konfisziertem Handy Videomaterial von Protesten gefunden wurde, (welches er der DW zugespielt hatte). Um ein Geständnis zu erzwingen, wurde er während des Verhörs geschlagen, gefoltert und körperlich schwer verletzt. Gegen eine Kaution kam er schließlich frei und wartet nun auf sein Gerichtsurteil.

Die Sanktionen und deren Konsequenzen seien "der Preis, den wir bezahlen", sagt Yalda Zarbakhch. "Es ist unsere Aufgabe und das Mindeste, das wir tun können für die Menschen und unsere Kolleginnen in Iran. Sie sitzen in Haft, ihnen droht die Todesstrafe. Wir machen das, was sie nicht mehr können: berichten."

Und genau das macht die Redaktion aktuell umfangreicher denn je. 1962 war das Programm als halbstündige Hörfunksendung gestartet, heute verbreitet DW Farsi sein Angebot über die DW-Webseite und Social Media – über Instagram, YouTube, Twitter und Telegram. Der Programmauftrag, eine interkulturelle Brücke zu bauen und Ereignisse in und aus Deutschland zu erklären, hat sich erweitert. Die knapp 40-köpfige Redaktion berichtet vor allem über und für Iran. Dazu gehört auch, Desinformation und Staatspropaganda aufzudecken. Insbesondere setzen Zarbakhch und ihr Team auf Sicherheits- und Technologiethemen, die Nutzende etwa über Möglichkeiten der Zensurumgehung informieren.

60 Jahre DW Persian Service

Das Berliner Team der DW Farsi-Redaktion

Nutzungszahlen trotz Zensur stark gestiegen

Trotz der Zensur ist die Nutzung von DW Farsi seit Beginn der Proteste auf allen digitalen Plattformen stark gestiegen. Der Instagram-Kanal mit 1,6 Millionen Followern erreichte im September bereits 27 Millionen Views, die Follower-Zahlen sind seither auf allen Plattformen gestiegen, insbesondere auf Instagram (der Hauptnutzungsweg für die persischsprachigen Inhalte) haben sich die Video Views vervielfacht und erzielten im November allein 82 Mio. Video Views (+415% Steigerung vs. Oktober 2022). Über alle Plattformen erreichte das persische Angebot damit im November 2022 über 94 Mio. Zugriffe.

"Die DW gilt in der Region als besonders glaubwürdig, das ist unser entscheidender Vorteil gegenüber anderen Medien. Wir beherrschen die Sprache, haben Ortskenntnisse, die Regionalexpertise. Wir beliefern derzeit sehr viele Ressorts und Sprachredaktionen der DW mit Inhalten, sind im ständigen Austausch – in erster Linie mit den TV-Nachrichten", schildert Zarbakhch. Die Redaktion setzt auf User Generated Content, also auf Zulieferung von Beiträgen von Zivilisten vor Ort, so die Redaktionsleiterin. "Viele Iraner sind zu Bürgerjournalisten avanciert, teilen uns konkrete Informationen über das Geschehen mit. Wir verifizieren das Material, nutzen unsere Expertenkontakte und ordnen Zusammenhänge ein." Aufgrund der Fülle an Bildern, Videos und Informationen produziert die Redaktion in Bonn und Berlin derzeit ein Sechsfaches von dem, was sie vorher publiziert hat.

60 Jahre DW Persian Service

Die DW gilt in der Region als besonders glaubwürdig, was sich auch in den Nutzungszahlen widerspiegelt

Zeit, um das 60-jährige Bestehen von DW Farsi zu würdigen, bleibt momentan nicht. Alle Pläne wurden vorerst abgesagt. Nach Feiern ist den Mitarbeitenden in diesen Tagen, in denen Menschen in ihrem Heimatland bei friedlichen Protesten verhaftet, niedergeschlagen und erschossen werden, ohnehin nicht zumute.

Welchen Wunsch hat Zarbakhch für die Zukunft des Programms? "Irgendwann über ein freies Land mit einer freien Presse zu berichten – aus einem DW-Studio in Teheran."

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